Der Blick von unten

Mir fällt zu all der Gewalt weltweit nur noch Herr Bonhoeffer ein.
Wie viele mögen sich wohl daran erinnern, wie es „von unten“ in Zeiten des Krieges und der Zeit danach ausgesehen hat?
Ich vermute, dass jede und jeder seinen oder ihren persönlichen Kriegsschauplatz hat – und dass der immer dann aufpoppt, wenn sich gerade in gefühlt naher Umgebung Gewalt ereignet. Das ist menschlich.

Moscow(c) ulla keienburg 2012Der Blick von unten

Es bleibt ein Erlebnis von unvergleichlichem Wert, daß
wir die großen Ereignisse der Weltgeschichte einmal von
unten, aus der Perspektive der Ausgeschalteten, Beargwöhnten,
Schlechtbehandelten, Machtlosen, Unterdrückten und Verhöhnten,
kurz der Leidenden, sehen gelernt haben. Wenn nur
in dieser Zeit nicht Bitterkeit oder Neid das Herz zerfressen hat,
daß wir Großes und Kleines, Glück und Unglück, Stärke und
Schwäche mit neuen Augen ansehen, daß unser Blick für
Größe, Menschlichkeit, Recht und Barmherzigkeit klarer,
freier, unbestechlicher geworden ist, ja, daß das persönliche
Leiden ein tauglicherer Schlüssel, ein fruchtbareres Prinzip zur
betrachtenden und tätigen Erschließung der Welt ist als persönliches
Glück. Es kommt nur darauf an, daß diese Perspektive
von unten nicht zur Parteinahme für die ewig Unzufriedenen
wird, sondern daß wir aus einer höheren Zufriedenheit, die
eigentlich jenseits von unten und oben begründet ist, dem
Leben in allen seinen Dimensionen gerecht werden, und es so
bejahen.
Dietrich Bonhoeffer
Quelle:
Widerstand und Ergebung, DBW Band 8, Seite 38 f

Der freie Blick

qualität
„Qualität ist der stärkste Feind jeder Art von Vermassung. (…) Gesellschaftlich bedeutet das den Verzicht auf die Jagd nach Positionen, den Bruch mit allem Starkult, den freien Blick nach oben und nach unten, (…). Kulturell bedeutet das Qualitätserlebnis die Rückkehr von der Hast zur Muße und Stille, von der Zerstreuung zur Sammlung, von der Sensation zur Besinnung, vom Virtuosenideal zur Kunst, vom Snobismus zur Bescheidenheit, von der Maßlosigkeit zum Maß. Quantitäten machen einander den Raum streitig, Qualitäten ergänzen einander.“ Dietrich Bonhoeffer aus: Widerstand und Ergebung, DBW Band 8, Seite 31ff

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