Hannah Arendt, Ich selbst, auch ich tanze, Die Gedichte, Piper München Berlin Zürich, 2015, 157 S.
Solange schon kenne ich dieses Gedicht. Und so lange schon genieße ich die Gedanken der Hannah Arendt. So wunderbar komplex. Nachhaltig. Klug. Politisch. Berührend. Zum Eintauchen.
Mindestens so lange wie sie und ihre Gedanken begleitet mich diese Musik:
„Das Leben ist viel zu kostbar, als dass wir es entwerten dürften, indem wir es leer und hohl, ohne Sinn, ohne Liebe und letztlich ohne Hoffnung verstreichen lassen.“ Václav Havel
„Es wäre besser, eine Aufgabe vor sich zu sehen als ein geruhsames Leben.“ Leo Tolstoi
Ein gesunder Wechsel zwischen Aufgabe und geruhsamem Leben wäre mir am liebsten .-) Vielleicht aber ist ja auch das geruhsame Leben für den einen oder die andere eine Aufgabe. Vorstellen kann ich mir das schlecht. Das aber liegt wohl eher an mir 🙂
Rebekka Reinhard, praktizierende Philosophin, hat mich mit einem Titel eingefangen, der vielversprechender nicht hätte sein können. Für mich zumindest.
In Cellophan verpackt erreichte das Buch meine Adresse in der letzten Woche, als ich noch unterwegs war. Seit Samstag lag es, nachwievor in seiner Schutzhülle, auf meinen Schreibtisch. Und heute Abend – in einem Gespräch mit meiner Freundin Elke, seit jeher Sparringspartnerin zwecks Denken, Fühlen und Verstehen und Erklären, Genießen und Inspiration – fiel mein Blick auf den Untertitel. „Für einen zeitgemäßen Vernunftgebrauch“. Ich habe es ausgepackt. Ich habe die Widmung gelesen. #nobullshitfeminismus
Aufgeblättert. Während des Telefonats vorgelesen, als säßen wir am Küchentisch. Jede auch noch so kurze Passage ist – selbst aus dem Kontext gerissen – Anregung, Inspiration zum Selberdenken. Jene, die das gerne tun, leidenschaftlich selbst denken, sich gerne durch virtuose Wortkompositionen, prägnante Rückschlüsse animieren lassen, sollten sich dieses Werkes annehmen. R. Reinhard versprüht Zuversicht und traut den Menschen eben noch zu: Selbst zu denken, anzuzweifeln, zu hinterfragen, eben „WACH zu denken“, sich auf die Unberechenbarkeit des Lebens einzulassen – weiter zu glauben als das, was sie „Computer -Logik“ nennt. „Es begegnet der Vereinfachung mit einer Lust am Spiel, am Experiment, am Wagemut. Wer wach denkt, schaut frei, kreativ und vorurteilslos auf die Welt. Und das brauchen wir heute dringend, um zu neuem Wissen zu finden, zu einer intelligenten Verbindung von Verstand und Emotion, von Hirn und Herz.“ Sie widerspricht sich. Mit Absicht. Wenn ich sie recht verstehe, erhebt sie nicht den Anspruch, mehr zu wissen als andere. Sie lädt allerdings ein, WACH zu sein. Angstlust zu genießen. Spannungsfelder auszuloten. Sich aus dem Gefängnis des Vereinfachens zu befreien. Mir kommt es vor wie die Aufforderung meines Vaters – damals in den 60ern, 70ern und 80ern an mich, alles zu hinterfragen, nichts einfach hinzunehmen. Es erfreut mich zutiefst, dass es wieder ein Plädoyer dafür gibt.
Mitten aus ihrem performanten Schreiben heraus melde ich mich schon mal.
Und ich bin sooo neugierig auf sie als Person geworden.
Ihr Plädoyer für zeitgemäßen Gebrauch der Vernunft: ÄUßERST ERHOLSAM!
Glück ist gar nicht mal so selten, Glück wird überall beschert, vieles kann als Glück uns gelten, was das Leben uns so lehrt.
Glück ist jeder neue Morgen, Glück ist bunte Blumenpracht Glück sind Tage ohne Sorgen, Glück ist, wenn man fröhlich lacht. Glück ist Regen, wenn es heiss ist, Glück ist Sonne nach dem Guss, Glück ist, wenn ein Kind ein Eis ißt, Glück ist auch ein lieber Gruss Glück ist Wärme, wenn es kalt ist, Glück ist weißer Meeresstrand, Glück ist Ruhe, die im Wald ist, Glück ist eines Freundes Hand. Glück ist eine stille Stunde, Glück ist auch ein gutes Buch, Glück ist Spaß in froher Runde, Glück ist freundlicher Besuch. Glück ist niemals ortsgebunden, Glück kennt keine Jahreszeit, Glück hat immer der gefunden, der sich seines Lebens freut. Clemens Brentano
Glück: wirklich ein strapazierter Begriff. Geradezu zur Ware verkommen. Mit Brentanos Blick auf die Welt aber – zumindest auf das in meiner Welt – lässt sich tatsächlich auch die eine oder andere Durststrecke überstehen. Als ich das Lied „Immer mehr“ von Reinhard Mey das erste Mal gehört habe – und das ist sehr, sehr, sehr lange her – habe ich mir gewünscht, mich je so geliebt zu fühlen. Und was soll ich sagen? Ich habe entdeckt, dass eben so viel von genau dem in meinem Leben vorhanden ist wie eben auch von dem Gegenteil. Und ich bin immer sicherer, dass ich das Gute an guten Tagen abrufen kann, mich darauf besinnen kann. Und dass ich in dunkleren Zeiten mich auf Menschen verlassen darf, die vorübergehend für mich mit zuversichtlich sind. Postkarten schreiben, sich erkundigen, es schaffen, mir beizustehen, ohne mir auf die Pelle zu rücken. Mir sogar wirklich zu begegnen, ohne zu fürchten, dass sie sich dabei selbst erkennen. Eine wahre Kunst. Es wird viel über Resilienz gesprochen, geschrieben, duiskutiert. Ich vermute, dass genau so etwas auch „Resilienz“ IST. Ich wünsche jeder und jedem solche Erkenntnisse, diese Art Beweglichkeit, den Mut und solche Menschen im Leben.
„Man kann und darf wohl sein eigenes Leben für eine Sache riskieren, aber nie das Leben eines anderen.“ Karl Raimund Popper
Um eine Antwort auf die Frage zu finden, wer gerade wie für was wessen Leben riskiert, braucht es Zeit. Entspannte Zeit. Entspannende Zeit und Muße. Möge sie Euch gelingen. Die Entspannung, die Zeit, die Muße und die Antwort.
„Ein Optimist ist ein Mensch, der ein Dutzend Austern bestellt, in der Hoffnung, sie mit der Perle, die er darin findet, bezahlen zu können.“ Theodor Fontane
„Jeder Mensch lebt sein Leben anders. Jeder hat eine andere Perspektive. Jeder hat in der Liebe etwas anderes durchgemacht. Alle haben über unterschiedliche Dinge geweint.“ Luis Fonsi
Wie oft habe ich in den letzten Jahrzehnten gedacht: Lauft doch mal in meinen Schuhen! Lebt doch mal für eine Weile mein Leben! Schaut doch mal durch meine Augen auf die Welt! Und das bitte, BEVOR Ihr Entscheidungen fällt, die die empfindlich fragile Konstruktion meiner Existenz und der meines Sohnes berühren.
Personalchef:innen, Sachbearbeiter:innen, Politiker:innen, Auftraggeber:innen, Richter:innen . Ja! Frauen wie Männer.
„Die Darstellung der Welt, wie die Welt selbst, ist ein Werk der Menschen; sie beschreiben sie aus dem Blickwinkel, den sie mit der absoluten Wahrheit verwechseln.“ Simone be Beauvoir
„Traurigkeit ist Stille, ist Tod; Heiterkeit ist Regsamkeit, Bewegung, Leben.“ Marie von Ebner-Eschenbach
Gestern hat jemand zu mir gesagt: Du lebst aber auch unruhig. Wahnsinn.
Tja, das ist alles eine Sache der Sichtweise. Ich behaupte mal: Mein Leben ist lebendig, bewegt, aufregend, manchmal schwer, mitunter sehr leicht, ab und zu schwierig, dann wieder unkompliziert bei allem Theater oft fröhlich – zumindest häufiger fein und heiter als traurig und still. Gesegnet fühle ich mich. Ich nehme es mit beiden Händen. Ich habe das eine bloß.
Wie ein neues Leben Und wenn die Nacht kommt und der Rückblick zeigt, dass alles Stückwerk war und vieles ungetan geblieben ist, was man vorhatte, wenn so manches tiefe Beschämung oder Reue weckt: dann alles nehmen, wie es ist, es dem Leben überlassen. So wird man ruhen können, wirklich ruhen und den neuen Tag wie ein neues Leben beginnen. Edith Stein
„Wir müssen der nächsten Generation von Kindern vom ersten Tag an beibringen, dass sie für ihr Leben verantwortlich sind. Das größte Geschenk der Menschheit, auch ihr größter Fluch, ist die freie Wahl. Wir können unsere Entscheidungen aus Liebe oder aus Angst treffen.“ Elisabeth Kübler-Ross
„Sokrates, Sokrates! Weißt Du, was ich gerade über einen Deiner Schüler gehört habe?“
„Warte einen Moment“, sagte der Philosoph. „Bevor Du mir davon erzählst, möchte ich, dass Du einen kleinen Test machst, den ich ‚die drei Siebe’ nenne.“
„Die drei Siebe?“
„Ja. Bevor Du aussprichst, was Du sagen willst, prüfe es. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast Du absolut sichergestellt, dass es wahr ist, was Du mir erzählen willst?“
„Äh, naja, nein … ich hab eigentlich nur davon gehört.“
„Gut. Du weißt also nicht, ob es wahr ist oder nicht. Lass uns zum zweiten Test kommen. Das Sieb der Güte. Ist, was Du mir über meinen Schüler erzählen willst, etwas Gutes?“
„Nein, im Gegenteil.“
„Aha, Du willst mir also etwas Schlechtes über meinen Schüler erzählen, obwohl Du nicht weißt, ob es wahr ist.“
Der Mann zuckte die Schultern. Er wirkte inzwischen etwas betreten.
Sokrates fuhr fort: „Vielleicht besteht das, was Du mir sagen willst, ja den dritten Test. Das Sieb der Nützlichkeit. Ist, was Du mir mitteilen möchtest, hilfreich für mich?“
„Also … nein, nicht wirklich.“
„Wenn es weder wahr ist, noch gut oder zumindest nützlich, warum solltest Du es mir dann überhaupt erzählen?“
Der Mann verstummte, er schämte sich und ging fort. Er hatte verstanden.
Am Sonntag habe ich mir die Ausstellung von Michael Wolf im Haus der Photographie (Deichtorhallen) angeschaut. Proppenvoll war es. Wahrscheinlich dem Regen geschuldet, der am Nachmittag herunterschüttete. LIFE IN CITIES titelt er seine Ausstellung. Beeindruckend, beklemmend, verstörend, belebend, nötigend, beengend, neugierig machend, herausfordernd, erleichternd sind seine Objekte, Bilder, Arrangements zum Thema Leben in Städten. All das ist auch sein Blick auf die Welt, in der er sich jeweils ganz und gar befindet. Der Mustererkenner. Der Musterbrecher. Wer sie noch nicht gesehen hat…. Unbedingt.
Für die unter Euch, die einen Herzschrittmacher haben – Ihr solltet angemessenen Abstand halten von der Installation „The Real Toy Story“ – es wurden aberwitzig viele Magnete verwendet, um das Gesamtkunstwerk zu konstruieren. Um die Warnung lesen zu können, musste ich ganz dicht an die Installation herantreten. Ich bin sehr froh, dass mein Herz von allein schlägt.