
Leise statt Weise


Welcome to my Reality!



2013…… Grundsätzliches kommt immer wieder!
Erich Kästner beschreibt Zeitgenossen des Berlins 1929!
Kaum zu glauben!
Es ist nicht leicht, sie ohne Haß zu schildern,
und ganz unmöglich geht es ohne Hohn.
Sie haben Köpfe wie auf Abziehbildern
und, wo das Herz sein müßte, Telefon.
Sie wissen ganz genau, daß Kreise rund sind
und Invalidenbeine nur aus Holz.
Sie sprechen fließend, und aus diesem Grund sind
sie Tag und Nacht – auch sonntags – auf sich stolz.
In ihren Händen wird aus allem Ware.
In ihrer Seele brennt elektrisch Licht.
Sie messen auch das Unberechnenbare.
Was sich nicht zählen läßt, das gibt es nicht!
Sie haben am Gehirn enorme Schwielen,
fast als benutzten sie es als Gesäß.
Sie werden rot, wenn sie mit Kindern spielen,
die Liebe treiben sie programmgemäß.
Sie singen nie (nicht einmal im August)
ein hübsches Weihnachtslied auf offner Straße.
Sie sind nie froh und haben immer Lust.
Und denken, wenn sie denken, durch die Nase.
Sie loben unermüdlich unsre Zeit,
ganz als erhielten sie von ihr Tantiemen.
Ihr Intellekt liegt meistens doppelt breit.
Sie können sich nur noch zum Scheine schämen.
Sie haben Witz und können ihn nicht halten.
Sie wissen viel, was sie nicht verstehen.
Man muß sie sehen, wenn sie Haare spalten!
Es ist, um an den Wänden hochzugehn.
Man sollte kleine Löcher in sie schießen!
Ihr letzter Schrei wär noch ein dernier cri.
Jedoch, sie haben viel zuviel Komplicen,
als daß sie sich von uns erschießen ließen.
Man trifft sie nie.
Erich Kästner
Erich Kästner. Werke. 6 Bände: Band I: Zeitgenossen, haufenweise. Gedichte.„Man darf die Völker ins Verderben hetzen,
weil das den Regeln ihrer Welt entspricht.
Doch sich der Bosheit hilfreich widersetzen,
das darf man nicht!“
Erich Kästner
Mir fehlen mal wieder die „eigenen“ Worte. Vor allem zu der Politik, die gerade weltweit von Regierenden angeblich zu unserer aller Sicherheit betrieben wird. Gerne „rette“ ich mich dann mit der Lektüre Erich Kästners.
Das heutige Fundstück entstammt „Sekundärliteratur“: den Schriften von Christoph Gutknecht:
„Der Zweck heiligt die Mittel:
Der Unsinn liegt bei diesem Grundsatz in seiner Formulierung. genauer im Verb. Denn wieso sollte den Zweck die Mittel heiligen? Zumal derjenige, auf den dieser Ausspruch zurückgeht, wirklich kein Heiliger war. Es war der florentinische Diplomat, Geschichtsschreiber Philosoph und Dichter Niccolò Machiavelli (1469 – 1527), der in seinem berühmt gewordenen Buch “ Il Principe“ (Der Fürst, 1513) mit genauer Kenntnis der zeitgenössischen Politik auf der Basis sorgfältiger Studien der Antike die Praktiken tyrannischer Machtstrukturen ungeschminkt dargestellt hat. Er empfahl für Italien auf dem Wege zu einer Republik die Etablierung der absoluten Macht eines Herrschers, der sich – ungeachtet aller moralischen und religiösen Bedenken – der Gewalt, des Betrugs, der List und des Eidbruchs bedienen könne: `Il fine giustifica i mezzi“ der Zweck rechtfertigt die Mittel.
Daß auch andere Autoren Machiavellis Maxime – wenn gleich in modifizierter Form – vertreten haben, erläutern im einzelnen Kurt Böttcher et.al. (1981:181), die u.a. auf die Schriften der Jesuitenpatres Hermann Busenbuam (1652) und Benedictinus Pereira (1576) sowie auf einen Brief Blaise Pascals (1656/57) und auf Thomas Hobbes` Werk „De cive“ verweisen.
Erich Kästner (1899 – 1974) hat das von Machiavelli geschilderte Prinzip der Staatsräson kompromißlos aufs Korn genommen – in einem Sechszeiler, dem er die scharfzüngige Überschrift verlieh:
Der Zweck : der heiligt die Mittel oder Religion als Politik und Politik als Religion Der Zweck sagt ihr, heiligt die Mittel? Das Dogma heiligt den Büttel? Den Galgen? Den Kerkerkittel? Fest steht trotz Schrecken und Schreck: Die Mittel entheiligen den Zweck!“
aus: Christoph Gutknecht
Lauter blühender Unsinn: Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis WischiWaschi

—————————————————————————————————————————————————–
Sozusagen in der Fremde
„Er saß in der großen Stadt Berlin
an einem kleinen Tisch.
Die Stadt war groß, auch ohne ihn.
Er war nicht nötig, wie es schien.
Und rund um ihn war Plüsch.
Die Leute saßen zum Greifen nah,
und er war doch allein.
Und in dem Spiegel, in den er sah,
saßen sie alle noch einmal da,
als müsse das so sein.
Der Saal war blass vor lauter Licht.
Es roch nach Parfüm und Gebäck.
Er blickte ernst von Gesicht zu Gesicht.
Was er da sah, gefiel ihm nicht.
Er schaute traurig weg.
Er strich das weiße Tischtuch glatt
und blickte in das Glas.
Fast hatte er das Leben satt.
Was sollte er in dieser Stadt,
in der er einsam saß?
Da stand er, in der Stadt Berlin,
und vor dem kleinen Tisch.
Keiner der Menschen kannte ihn.
Da fing er an, den Hut zu ziehen!
Not macht erfinderisch.“
(1932)
Erich Kästner
Kannte Erich Kästner etwa unseren momentanen Bundespräsidenten? 🙂