Was denken Sie, wenn Ihnen jemand den Satz sagt: „Träum weiter!“? Träumen wird mit unrealistischen Wünschen verwechselt – zu häufig flüchten sich Menschen in überhöhte Wunschträume anstatt in den (nächtlichen) Träumen ihren wahren Bedürfnissen und auch Gefühlen wieder auf die Schliche zu kommen. Wie nützlich das sein kann, beschreibt Stephan Grünewald in seinem neuesten Buch:
Schon auf den ersten Seiten zückte ich einen Stift – um etwas anzustreichen. Ein wenig fürchtete ich, dass ich das alles schon mal gelesen haben könnte. Das haben Einleitungen wohl so an sich. Kaum aber mit Kapitel 2 begonnen, schien mir plötzlich die Sprache wieder vertraut, diese morphologische, bildhafte, diese Ansammlung von… ach, ist das nicht alles selbstverständlich?
Nein, das scheint es nicht zu sein. Mit jeder Seite, die ich las, häuften sich die unterstrichenen Passagen, die markierten Aussagen. Einerseits glich es einem „Wieder – Holen“ der bereits gelernten morphologischen Grundsätze, andererseits erfreute ich mich an den Kontexten, auf die Stephan Grünewald diese Sichtweisen anwandte.
„Die erschöpfte Gesellschaft“ , wie er sie beschreibt, bestätigt so viele der Gefühle, die in deutschen Gefilden entstehen: Das Bedürfnis nach Sicherheit, das Gefühl, einen aufgeräumten Schreibtisch haben zu müssen, für die Zukunft nur in Geldmengen zu denken, alle(s) gleich zu machen mit dem Ziele es besser messen zu können, Klons zu schaffen, etc.
Er rüttelt auf mit dem, was er schreibt. Während der Lektüre fühlte ich mich das eine oder andere Mal „erwischt“, trotzdem bin ich dankbar für die Außensicht. Es erlöst mich auf jeder dritten Seite davon, mich als Spinnerin zu fühlen und bestätigt spätestens auf den letzten Seiten, wieso es für mich persönlich so wahnsinnig schwer ist, in der Automatisierung eines vorwiegend auf Performance ausgerichteten Arbeitsalltags zu funktionieren. Spätestens seine Ausführungen zu Bildung und Arbeit sind komplett unterstrichen. Wenn er die Rolle der Piraten mit der der Pechmarie deutet, das vielfach gewünschte Grundeinkommen mit der „bedingungslosen Mutterliebe“ vergleicht, den Kühlschrank zur Gefühlsapotheke erklärt, als Beispiel für die Gleichmacherei mit der Rhythmisierung der Woche aufwartet: dann kann die Unternehmung am Sonntagnachmittag schon mal einen Beigeschmack bekommen- aber nur, wenn Mensch humorlos ist. 🙂 Oder liegt es an meiner Selbstständigkeit, dass ich dem viel Heiteres entnehmen konnte?
Ich sage beschwingt: „TRÄUM WEITER!“
Unbedingt lesen! Bitte! Virtuos geschrieben! Für jeden etwas dabei! Mich wunderte, wenn es nicht so wäre.
Nachdem ich etwa zwei Drittel des Buches gelesen hatte, drängte sich mir das Bild auf: Ein Hamster, der von innen sein Laufrad aufbiegt…. #könnte ich doch nur zeichnen 🙂


