„Takt ist die Fähigkeit, andere so zu beschreiben, wie sie sich selbst sehen.“ Abraham Lincoln



Welcome to my Reality!
Bisher bin ich in diese Stadt gefahren, um einfach los zu laufen, zu erleben, stehen zu bleiben und schauen, egal welches Wetter mir/ uns sich bot. Diesmal war ich mit Freunden unterwegs, die das erste Mal diese Stadt besuchten. Auf dem Plan standen die Attraktionen empfohlen von Reiseführern und ADAC.

Eine sensationelle Entdeckung war das Hotel Super 8 in North Bergen. Wenn ich auch drei Tage zuvor mindestens eine Stunde am Telefon gehangen habe, um das zu reservieren. Hat sich gelohnt. Das Auto steht dort kostenfrei während des Aufenthaltes. Eine echte Errungenschaft, wenn man die „Special Price“ Angebote für das Parken in Manhattan bedenkt. Direkt am Lincoln Tunnel auf der Seite NJ`s fährt vom Hotel ein Bus bis zum Bus Terminal in die 42 th/ Ecke 8th Ave- und das $ 2,50. NYC war heiß. Sticky Fluids tropften aus den Air Condition Anlagen der Stadt, Massen von Touristen wälzten sich durch die sommerheiße Innenstadt von Manhattan. Am liebsten hätte ich dreimal am Tag geduscht.


Mit dem Boot rund um Manhattan, mit der Stretchlimo von der 42th zum Union Square ( ist mit 5 Personen genau so teuer, als wenn man den Bus nimmt), zu Fuß von da aus zum Flat Iron Building.

Nach der Cruise dann zum Battery Park,
um die Miss Liberty noch mal bei einem gemütlichen Kaltgetränk bewundern, bevor es zum Down Zero ging. Inzwischen war der Hunger der Gäste auf Steak und Fast Food weitgehend gestillt- jetzt mussten Nudeln her. Sie hatten in Boston schon ein Lokal namens „vapiano“ entdeckt und das war auch auf der Tour mit der Limousine unvergesslich entdeckt worden. Also – am Abend dorthin. Es hatte erst im Juli 2010 eröffnet. Lucky us! Lecker, lecker und vor allem: Moderate Portionen und Preise!
Der nächste Tag dann Kultur: MOMA am Morgen, dann Spaziergang durch den Central Park, vom Columbus Circle aus mit zum Shopping – es ist so schön kühl in den Geschäften – und zum Sonnenuntergang dann pünktlich auf das Top of the Rock, um endlich mal in Ruhe alles von oben zu betrachten, was ansonsten laut, stickig und ungepflegt wirkte.
Bei wunderbarem Licht präsentierte sich die Stadt bei guter Sicht.

Wir waren gerade früh genug, um die Sonne noch zu erleben, bevor sie hinter dicken Wolken verschwand.
Und dann galt es, die Aufträge zu erledigen, die sie von Freunden aus Deutschland auf dem Zettel hatten. Ab in den M&M Shop an den Time Square. Ein Kaufhaus voller Merchandising Artikel. Ich musste da raus. Und als dann auch die richtige Kappe von den Yankees gefunden war, kam wieder Hunger auf. Im Zentrum des Tourismus einen Platz zum Essen zu finden – unmöglich.
Bis wir vor dem „B.B.King“ standen und kurz verweilten- schließlich war ich mit Bluesfans unterwegs- und das benachbarte Restaurant „Lucille“entdeckten. (benannt nach der Lieblingsgitarre von B.B. King), Wir ergatterten dort einen Platz und verspeisten bei Live Musik unsere Nachos und Chicken.



Unbelievable. Ein krönender Abschluss.
Am nächsten Mittag fuhr ich bereits wieder mit Zug von NYC gen Albany, NY und die anderen gen Newark, um von dort aus nach Frankfurt zu fliegen. „Gut, dass wir New York zum Schluss gemacht haben.“ Exciting but exhausting! .-)
Tatsächlich geschafft: Nachdem ich am Freitag heile angekommen war, habe ich erst einmal ausgeschlafen. Dann das große Ereignis: STING in Saratoga Springs Performance Art Center: Ohne Tickets angereist ergatterten wir Karten für die fünfte Reihe. 🙂 Sehr sehr günstig! Jemand musste sie wohl unbedingt zehn Minuten vor Konzertbeginn loswerden. Lucky us.
Opening: “ The Shape of my Heart“ – English Man in New York – bleibt einfach Renner. Vor allem in New York State. Und die positive Spannung blieb bis zur letzten Sekunde . Zwischendurch, wenn mir mal gerade nicht die Tränen in die Augen schossen, betitelte ich das schmunzelnd als Begeisterungsstress. Seine Musik begleitet mich schon so lange – schon zu Police- Zeiten konnte ich nicht weghören. Seither begeistert , beruhigt, erinnert und erbaut sie mich. Einfach ein „geiler Typ“, dieser yogatreibende Träger des britischen Ritterordens und Umweltaktivist.
Whenever I say your Name – unbedingt lauschen 🙂
Zusammen mit dem Royal Symp
hony Concert Orchestra… unschlagbar…
22. Mai 2010. Erster Tag unseres lang ersehnten, gemeinsamen Urlaubs in den Staaten. Sieben Tage, drei Staaten, drei Highlights waren geplant. Die Reise wurde ein einziges.
Tag 1: Nachdem wir von NYC los geflogen, mit Zwischenstopp in Denver, CO in Salt Lake City, Utah gelandet waren und das Mietauto hatten, war es schon 15 Uhr. Neben den Reisetaschen, die wir im Kofferraum des Leihwagens verstauten, trug jeder natürlich seine Kamera über der Schulter. Überraschung: Wider die Wettervorhersage schien die Sonne. Amerika „konnte mal wieder Himmel“. Weiße Wolken in allen Formen ließen den Himmel noch blauer erscheinen, als er eh schon war. Nachmittag: Die perfekte Zeit für die geneigten Kameranutzer. Wankelmütig, ob lieber „Draußen“ oder „Drinnen“, wählten wir als erstes Ziel, was bei uns bis dato nur als vage Vorstellung vorhanden war.
Den Mormonen Tempel. Bisher konnotierten wir Mormonen als Gruppenwesen, gekleidet in dunklen Anzughosen, weißen Hemden, einer Krawatte, auf dem Rücken immer einen schwarzen Rucksack. Missionierend durch Deutschlands Straßen laufend. Immer zu erkennen, immer wie Studenten wirkend. Dieses große weiße Gebäude zog uns natürlich magisch an. Die Anlage sorgfältig gepflegt, klares Design, hell, freundlich. Die Menschengruppen, die sich darin tummelten, waren, bis auf ein paar neugierige Durchreisende, nur Hochzeitsgesellschaften und Chorsänger.
Das große Auditorium, „Mormone Tabernacle“, war für Touristen an dem Tag geschlossen. Tonaufnahmen „leichter“ Musik, wie ich später erfuhr.
„Hier sind die Menschen alle so entspannt, wenn sie heiraten – kein Krampf, keine Hektik, keine Dramen.“, hörte ich Henning sagen. Ich hätte darüber nicht nachgedacht. Es herrschte eine ungewöhnlich gelassene Atmospäre.
Wenn wir die Stimmung hier mit der auf Trauungen zuhause verglichen: Ja, er hätte recht. Alle hier waren natürlich, fröhlich, erfreut, glücklich. Ganz so entspannt ging es im Vergleich auf deutschen Hochzeiten immer erst nach dem offziellen Teil zu. Hier hatten alle richtig Spaß, besonders die Brautpaare. Vier Hochzeitsgesellschaften tummelten sich rund um den Salt Lake Temple.
Die Fotografen rannten bunt angezogen zwischen den feierlich Gekleideten herum, entführten die Brautpaare auf die gepflegten Grünanlagen. Die Kinder spielten in den Nischen der Kirchengemäuer Verstecken, kletterten über Hecken, experimentierten mit Pfützen.
Kein Verbot war zu hören, zu lesen. Niemand monierte nasse Strumphosen, Schuhe oder schmutzige Hände oder Kleider. Väter folgten zwar ihren Kindern, beobachteten sie aber lediglich bei ihrem Treiben. Alte Menschen saßen auf Bänken oder in Rollstühlen und schauten glücklich. Auf der Treppe des Tempels postierte sich eine Gesellschaft zum Gruppenfoto. Und auch die hatten offensichtlich Spaß. Ein bisschen nachdenklich hat uns das schon gestimmt.
Ich fragte den Mann, der die Regenschirme für die Paare und Gäste verwaltete, was man tun müsse, um das Innere des Tempels bewundern zu können. Vielleicht hätten wir da einen Hinweis auf die gute Stimmung gefunden. „Sign up, donate, do exams – and maybe after a year…“ Whatever. WIR kamen da gerade nicht rein. Henning wusste zu berichten, dass jemand mal alles dran gesetzt hatte, um in den Innenraum zu gelangen. Enttäuscht soll er gewesen sein. Da sei nichts besonderes zu finden gewesen. Vielleicht sind alle so fröhlich wie die Hochzeitsgäste, haben so viel Spaß am Leben und brauchen keinen Prunk. Wer weiß das schon? Ich weiß es jedenfalls nicht. Uns konnte auch keiner der Aktiven in der zugänglichen Kapelle neben dem Tempel bekehren. Ich werde weder in den Verein eintreten noch „donaten“, um da hinein zu gelangen.
Auf dem Weg zum Family Research Center entdeckte ich auf der Innenseite eines Souterrainfensters des „Mormon Tabernacle“ Baseballkappen brav aufgereiht auf der Fensterbank. Die dazugehörigen Sänger pausierten gerade auf dem Gelände. Da ich bekannterweise neugierig bin, fragte ich sie, welcher Art die Musik sei, die sie gerade aufnähmen. Sie versuchten mir zu erklären, was die Leichtigkeit ausmache. So recht verstanden habe ich es nicht. „Where are you from? Sweden? Netherlands?“ Diese Standardfragen empfinde ich inzwischen, ehrlich gesagt, als Kompliment für meine Aussprache des Englischen, das ich nun so selbstverständlich nutze. Nicht umgehend als Deutsche erkannt zu werden, tut auch mal gut. Zu oft fallen, wenn sie uns erst einmal als solche „identifiziert“ haben, zwei Stichworte: „Naziland“ und „World War II“. Den Volvodealer schon vergessen? Anfangs hat es mich genervt. Inzwischen habe ich begriffen, dass es das erste ist, was ihnen einfällt. Mich interessiert wirklich, ob das das Einzige ist, was sie über uns lernen. Egal. Die Chorsänger jedenfalls empfahlen uns dringend, das große Familienforschungsinstitut gegenüber zu besuchen. Wir folgten erst dem Hinweis, dann den Schildern, dann den Damen, die uns am Empfang zuvorkommend begrüßten.
Ein neunminütiger Film über das Archiv, die Daten, die Mikrofilme, die Akten, die Computer und die kostenfreie Nutzung, um Studien über die eigene Familiengeschichte zu starten. Unser Auto stand an einer Parkuhr. Wir wussten sicher: Die war abgelaufen. Die notwendige Ruhe für die Ahnenforschung stellte sich nicht mehr ein. Ich fand, trotz der Hilfestellung durch die „Volunteers“, dort über meinen Familiennamen NICHTS. Also konnte ich ruhigen Gewissens den tollen Bau verlassen und das Auto auslösen. Beschlossene Sache für mich: Ich studiere nach dem Urlaub noch mal unseren vorhandenen Stammbaum daheim bei meiner Mutter in Deutschland. Den hatte meine Vater noch kurz vor seinem Tod entdeckt und mit einem nicht verwandten Namensvetter gemeinsam aktualisiert. Wenn wir mehr erreichen wollten, sagte man uns, könnten wir auch in Deutschland ihre Institute besuchen. Wir bekamen die Adresse von Hamburg.
Nachdem ich den Flieger nach Hamburg noch knapp bekommen habe, durfte ich sogar – upgraded to 3A – ohne Flügel im Blick in den Sonnenaufgang hinein fliegen.
Diesmal ist alles gut gegangen.
Panik hatte ich schon, als ich da in Albany wieder auf die Folter gespannt wurde – erinnerte ich mich doch an die zwei Tage, die ich im letzten Sommer auf Flughäfen und in Flugzeugen verbracht hatte, um letzlich ohne Gepäck daheim anzukommen. Bis ich da wieder vollständig war, waren mehr als 48 Stunden vergangen. Ich war wenigstens nicht allein unterwegs. Claudia aus Vermont, eine gebürtige Deutsche, wollte gemeinsam mit ihrem 10- jährigen Sohn in Hamburg ihrer Schwester bei der Geburt ihres Kindes beistehen. Der Junge nahm es eindeutig gelassener als wir zwei Frauen. Wie gern hätten wir es doch schneller hinter uns gebracht. Ihn hingegen amüsierte es geradezu, unerwartet in Paris zu landen. Dort versicherte man uns auch noch, mehr oder weniger glaubwürdig, unser Gepäck sei mir uns unterwegs. Falsch. Wie ließen die Servicedamen von der Gepäckermittlung in Fuhlsbüttel in dem Glauben, sie hätten uns mit dem Notfall T-Shirt und der Reisezahnbürste einen Gefallen getan.:-)
Aus dieser Zufallsbekanntschaft beim CheckIn entwickelte sich auf jeden Fall ein herzlicher Kontakt. Immerhin sollte ich noch wissen, ob es ein Mädchen oder ein Junge geworden ist. Als ich das nächste Mal von Albany aus, wieder traurig, abflog, überraschten wir uns einander wieder am CheckIn. Diesmal war der Anlass ihrer Reise nach Hamburg nicht so heiter. Sich von ihrem Vater zu verabschieden, ist glaube ich, für keine Tochter leicht. „Meine Freundin hat gesagt, du seiest mein Engel!“, stand in der ersten Mail, nachdem sie alles überstanden hatte. Auf dem Flug wurde sie unverhofft in der Business Class platziert. Offensichtlich findet sich dann doch, wonach einem so zumute ist. Einfach dran glauben! 🙂
Am dritten Sonntag des Juni feiern die Menschen in den USA die Väter. Nutznießer ist wahrscheinlich die Industrie, die nutzloses Zeug herstellt. Da die „Gonedaddys“ sicher keine Geschenke mehr erhalten, organisieren sie sich u.A. musikalisch.
„Punken“ allerdings können abwesende Väter ja auch in Deutschland gut – vor allem, wenn es um den Unterhalt für ihre Kinder geht .-)
Red Hook, NY – Wendy Ewald
Kamera, Stift und Zutrauen – Wie Kinder ihre ganz eigene Welt dokumentieren
Es regnete aus allen Eimern.
Das GPS wusste nicht, dass die Straße nach Red Hook, NY gesperrt war. Und so tourte ich auf eigene Faust einen Umweg. Zehn Minuten Verspätung brachte mir die Fahrt durch die Berge östlich des Hudsons gen Süden ein. An den Straßenrändern standen so viele „For Sale“ Schilder, wie ich sie in der Menge nur in der Zeit während meines ersten Amerika-Urlaubs nach dem Credit Crunch gesehen hatte. Sogar das 21. Jahrhundert war zum Verkauf. Die meisten Restaurants an der Route 9 waren vernagelt, andere angbeoten zur Vermietung. Wenig optimistisch anmutend, verregnet aber sattgrün – und mitten drin: Ich in dem alten Volvo, den ich mir geliehen habe, um Wendy Ewald in ihren privaten Gefilden mitten im Wald aufzusuchen.
Sie war zu müde am letzten Sonntag, Jetlag plagte sie. Sie war gerade erst von ihrem letzten Projekt aus Israel zurück. Auf den letzten Metern der Schotterstrecke in Richtung der angegebenen Adresse hatte ich noch die Vorstellung einer Blockhütte und dachte an so etwas wie einen Sommersitz zum Ausruhen. Vor ihrem Haus angelangt wurde ich eines Besseren belehrt. Der Basketballkorb auf dem Parkplatz deutete auf Kinder. In Gummistiefeln begegnete mir der erstaunte Ehemann und verwies mich auf Nachfrage in den rechten Flügel des riesigen Hauses. Wie im Traum war ich in einer Lichtung gelandet. Bei der selbstgemachten Limonade stellte sich auch schnell heraus, dass das Haus relativ neu und von dem Fotografenehepaar höchst persönlich geplant ist. Zentrum des Hauses:
Ein 60 Quadratmeter großer Raum mit einem Glasdach – schräg – damit im Winter der Schnee schnell schmelzen und herunter rutschen kann. Neben dem großen Tisch eine Art offenes Gewächshaus. Rund um das Haus Wald. Im Winter wäre das sicherlich sehr dunkel geworden. Das können natürlich Spezialisten für Licht nicht dulden. Und so haben sie sich vor vier Jahren diesen Traum erfüllt. Vom Tresen in der großen Küche zogen wir zum Gespräch in die Familienecke um. Aufstehen, zehn Meter entlang der Fensterfront gehen und wieder hinhocken. Es sei nicht „In the Middle of Nowhere“ scherzt Wendy. Es gäbe noch mehr „Nowhere“ in dieser Gegend, in der sie seit knapp zwanzig Jahren schon lebe.
Geboren ist sie 1951 in der Nähe von Detroit, wollte schon immer Fotografin werden. An der Wand hängt das Bild der Hand der Highschool- Lehrerin, die sie maßgeblich inspiriert hat.
Eine große Auswahl an Projekten präsentiert sie mir. Der fotografische Blick und das Schreiben sind ihre „Tools“, ihr Handwerkszeug. Mit dem verschafft sie für Kinder ab dem sechsten Lebensjahr z.B. den Blick auf deren eigenen Körper – „The Best Part of me“. Sie bietet Kindern in und aus aller Welt das Abbild ihres sozialen Umfeldes, deren guten und schlechten Träumen “Secret Games“. Mit dem Buch „Geheime Spiele“ hat sie es auch in deutschsprachige Gefilde geschafft. Stuttgart hat ihre Fotos ausgestellt – die Kuratoren jedoch haben kein Geld zusammen bekommen, um ein solches Projekt in Deutschland zu starten. Auch in Winterthur in der Schweiz beeindruckte sie. Als ich im Netz stöberte, um herauszufinden, wo überall sie schon aktiv war, fand ich für Deutschland nur diese eine Ausstellung – wirklich verwundert hat es mich nicht. Noch habe ich wenig Deutsche erlebt, die sich dem subjektiven Blick der Kinder stellen (wollen) und dafür auch noch Geld locker machen.
Was aber war ihre Motivation für das Buch „The Best Part of me“?
Mal ab davon, dass es ihr einziges Buch auch FÜR Kinder gewesen sei – gedankenverloren betrachtet sie das Hardcover und streicht versonnen über den Titel – sei zu der Zeit ein wahnsinniger Hype um das Thema „Kinderpornographie“ gewesen. Sie hat den Spieß umgedreht, und die Kinder entscheiden lassen, was sie von sich selbst abbilden und veröffentlichen wollen. Die Kleinen haben sehr konkret ihren eigenen Körper betrachtet, an ihrem Selbstbild gearbeitet – die Pubertierenden, wirft sie ein, hätten Gegenstände favorisiert, die sie dann auf ihren Füßen, Armen, Kopf oder Bauch platziert hätten. So hat sie entschieden, das Buch mit den Jüngeren zu produzieren – und auch für diese. Ihr heute 14- jähriger Sohn habe immer wieder stolz das Buch in der Schule herumgezeigt, berichtet sie schmunzelnd. Sie nutzt das Fotografieren und den Blick vor allem, um daran und damit zu arbeiten, darüber zu sprechen und zu schreiben. Zu analogen Zeiten ist auch die Dunkelkammer ein wichtiger Ort für den Prozess gewesen. Dort hätten Kinder aller Ehtnien gemeinsam arbeiten können, unbeaufsichtigt, nicht kontrolliert – im Dunkeln eben – etwas, was sie bei Tageslicht und damit offensichtlich vielleicht gar nicht getan hätten. Ja, die analogen Zeiten – sie sinniert darüber, dass Buch „I wonna take me a Picture“ nun gemeinsam mit Kollegen zu überarbeiten. Denn Fotografieren und Schreiben sollten alle Kinder lernen- anders vor allem auch, als sie das Formulieren in der Schule bisher lernen. Den digitalen Zeiten ist halt nicht mehr zu entrinnen.
Es musste auch schon mal „schnell gehen“. Wie bei ihrem Projekt in dem Küstendorf Margate in der südöstlichen Ecke von Kent, GB. Dafür nutzte sie Polaroidkameras. Sie wusste nämlich nicht, wie lange die Kinder und Familien in den ehemaligen Hotels der alten Badestrände noch verweilten. Grund: Dort landeten Menschen auf der Flucht aus ihrem Heimatland, um ein neues, hoffentlich friedliche(re)s Leben zu beginnen. In der Grundschule des Ortes wechselten ca. 50% der Schüler jährlich. Welche Auswirkungen das Kommen und Gehen auf die Kinder hat, wollte sie unbedingt wissen. Tat sich mit „Art Angel“ in England zusammen und arbeitete mit den Jungen und Mädchen, die sich, weil nicht in der Schule, tagsüber in eigens für sie eingerichteten Zentren aufhielten. Da sie aber alle nur ihre Muttersprache beherrschten, konnten die Flüchtlinge aus Irak, Afghanistan, Südafrika, Nordvietnam, Kongo und Sudan sich nicht einmal untereinander verständigen. Es gab auch nichts zu tun für sie. Wendy engagierte Übersetzer für alle sechs Sprachen. Sie wollte den Kindern etwas anbieten, das Spaß macht und gleichermaßen die Chance birgt, ihre lange Reise und ihr Leben bis dahin zu reflektieren. Sie fassten Vertrauen, nachdem sie begriffen hatten, dass diesmal die Übersetzer nicht dazu da waren, um über ihre potenzielle Einbürgerung zu sprechen.
Sie suchten Gegenstände zusammen, mit denen sie ein Stillleben produzierten. Gegenstände, die ihnen aus der Heimat geblieben waren, Gegenstände, die sie an Eltern oder ihr Heimatdorf, an Helfer oder Freunde erinnerten und durch die Zeit trugen. Die Kinder wählten Fotos von ihrem Hinterkopf und von ihrem Gesicht- und bearbeiteten die Polaroids. Schrieben rund herum ihre wichtigsten Gedanken zu ihrer Situation. Je drei bearbeitete Bilder pro Kind wurden überlebensgroß an der Steilküste Dovers ausgestellt – so dass die Öffentlichkeit teilhaben konnte an dem zerrissenen Leben der Kinder aus Margate.
Das Gesichter schauten auf das Wasser, der „Blick“ des Fotos ihrer Hinterköpfe auf das Land gerichtet, in dem sie gerade leben. In der Mitte das Stillleben – ebenfalls gleicher Größe. Wenn Zuschauer auf das Bild des Asylsuchenden 11 Jährigen aus Belarus sahen, konnten sie lesen: „Es geschah, dass ich meine wunderbare Stadt verlassen musste!“ Allerdings – resümierte sie schon während ihres Vortrages am Sonntag traurig und entsetzt- sei der Zeitpunkt denkbar schlecht gewesen. In London hatten Terroristen ein paar Tage zuvor den Anschlag in der U-Bahn verübt – und in Margate zerstörten darauf hin Menschen die zwei Bilder des südafrikanischen Mädchens mit Feuer. Sie hatte auf ihrem Stillleben abgebildet: Flip Flops und „The Principles of Islam“.
„Es ist wichtig, die Welt nicht nur die Linse geübter Fotografen zu sehen. Sondern vor allem durch die der Menschen, die die Dinge erleben, die sie fotografieren!“ Man gebe bitte Kindern Stift und Kamera in die Hand. Sie können auf diese Weise herausfinden und dokumentieren, was in ihrem Leben passiert. „Und wenn die Kulturen der Welt so durch Kinder „unterrichtet“ werden, dürfte das Analphabetentum bald Vergangenheit sein.“
Unterrichten müsse sie auch noch viel, sagt sie lachend. So ein Haus bezahle sich nicht von allein! Einen Gang durch dasselbe bekam ich noch. Auch in die
Dunkelkammer und den Lagerraum, in dem ich die Rollen der
Planen aus Dover entdeckte. Die Ewalds teilen sich das Labor mit anderen Fotografen aus der Gegend. Es frönen noch mehr Kollegen der analogen Fotografie. Hier ist sie, die sie ist. Viel wacher erscheint sie als am Sonntagabend. Ist wohl auch lieber im Gespräch als zu dozieren. Das Foto, das ich von ihr daheim geschossen habe, kommentierte sie: „Ich sehe eben besser aus in meiner eigenen Umgebung.“
Eins wurde mir zum Ende bewusst. Nicht umsonst bin ich so auf sie „angesprungen“. Meine Leidenschaft für Kinder, Sprache, Fotografieren und Bildung lebt sie als Person und in ihrer Arbeit.
Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich über diese Arbeit geschrieben habe.
Vielleicht der Auftakt, um auch in Deutschland „Migration“ mal anders zu betrachten oder betrachten zu lassen?
Woodstock. Das Woodstock in New York State.
Meine Jugend war bestimmt von Musik, Film und Geschichten über diesen legendären Ort. Als wir vor vier Wochen die Autobahn gen New York City unterwegs waren und das Hinweisschild „Woodstock / Saugerties“ erschien, bogen wir ungeplant ab. Da wollte ich schon immer mal sein. That`s what Sundays are for. Einfach gondeln. Anhalten, wenn einem danach zumute ist. So landeten wir in diesem sagenumwobenen Dorf. Die Zeit schien zurück gedreht. Jeder zweite Laden mutete wie ein Souverniershop aus den Siebzigern an: Batik T-Shirts mit Rockstars, von denen glaube ich keiner eines natürlichen Todes gestorben ist. Buddhas, Regenbogenflaggen, Räucherstäbchen- sogar Strampler mit Peacezeichen. Galerien mit esoterisch angehauchter Kunst. Mindestens drei Geschäfte auf der einkilometerlangen Hauptstraße durch das Centrum boten Gesundheitsschuhe an. Auf dem Marktplatz hockten Menschen mit Rucksäcken und Zelten. Im „Landau“- Restaurant stand ökologisch hergestellte Kartoffelsuppe auf der Karte. Nicht zu vergessen: Chicken Wings von freilaufenden Hühner. Kaum hatten wir uns zum Kaffee vor der „Whole Food“ Eisdiele niedergelassen, sprachen uns Einheimische an. „Übriggebliebene“ tauften wir sie. Eine Dame führte Kunststücke mit Kazoos vor, der nächste
empfahl eine Wanderung in den umliegenden Bergen, in denen er seit vierzig Jahren herumstreife. Um den von ihm favorisierten Sonnenaufgang erleben und ein entsprechendes Bild schießen zu können – er hatte unsere Kameras gesehen – hätten wir um drei Uhr morgens aufbrechen müssen.Viermal links, dreimal rechts, dann geradeaus und dann den Berg wieder runter stapfen müssen. Vorsicht gebot er beim Aufstieg an der elften Kreuzung – demonstrierte, wie er aus eigener Spucke Blasen produzieren kann. Ahhhhhhhhhhhh ja! Innerlich den Kopf schüttelnd resümierten wir: Was so ein Festival aus einem machen kann.

Einfach da sitzen und schauen.
Wir sollten sie auch alle wieder sehen! So viele schräge Gestalten, scheinbar happy, während eines Kaffees in der Sonne zu entdecken – oder besser von ihnen entdeckt zu werden-, hatten wir uns nicht ausgemalt.
Es war sehr erhellend.
Gewürdigt wird hier auch an jeder Ecke jemand.
Hundert Meter weiter dann entdeckten wir das Center for Photography. Der Fund des Tages. „Open“: Einladung genug, um die laufende Ausstellung noch zu sehen. Kunstwerke waren ausgestellt, die seit Jahren die Prospekte des Centrums als Deckblatt geschmückt hatten. In dem aktuellsten dieser Veranstaltungskalender fand ich auf der Rückfahrt den Hinweis auf den Workshop mit Sam Abell. Aufgeregt entschloss ich, gleich am nächsten Tag anzufragen, ob sich wohl noch ein Platz, bestenfalls zwei, darin frei sind. Immer nach dem Motto: Sprechenden Menschen kann geholfen werden, lautete die Antwort: „Yes! You wonna sign in?“ Ja, ich wollte. Und unsere geplante Reise in den Wilden Westen verkürzte sich um zwei Tage – allerdings um zwei wichtige! Ich liebe es, die Freiheit zu haben, zugreifen zu können, wenn sich Chancen bieten. #Chancenfinderin 🙂 Life is good!