Lost in her Longing – Shed a little Light

kluge mädchen

“She was lost in her longing to understand.”
—Gabriel Garcia Marquez, Love in the Time of Cholera

wasserschaden

Mein Vater wäre heute 98 Jahre alt geworden. Leider hat er nur 62 Jahre geschafft.

Zu lange ist er schon nicht mehr da. Ihm hätte die Musik Freude bereitet. Mich erinnert sie an ihn.

Wieso ich gerade an ihn denke, wenn ich über „Verstehen wollen“ sinniere? Na, diese Neugier, diesen Drang habe ich wohl meiner Sozialisation zu verdanken. Mein Vater ist daran nicht ganz unbeteiligt gewesen.  🙂 Ohne Wurzeln halt keine Flügel.  🙂 Thank you Mom & Dad!!!

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Der Prozess

In den letzten Monaten bin ich verstärkt mit den Gedanken bei dem Thema Resilienz. Ja, es stimmt, ich habe eine Weiterbildung zur Resilienzberaterin gemacht, darf mich jetzt so nennen. Und ich bin Teil einer Gruppe bei Linked IN, die sich austauscht zu dem Thema.

Mich beschäftigt zunehmend die Frage, was genau Resilienz eigentlich ist. Es forschen ganz viele daran. Und je häufiger ich vernehme, dass Menschen kolportieren zu wissen, was genau das sei, worauf sie fuße, bekomme ich das Bedürfnis, genauer zu betrachten, was genau für mich persönlich Resilienz bedeutet. Wieso es mir leicht auf der Zunge liegt, dieses Wort. Und ich es auch häufig mit einem Schmunzeln benutze. Zumal es zu einem Schlüsselwort in der Personalentwicklung geworden ist. Als Geheimrezept gehandelt wird. Sogar der Journalismus nutzt es aktuell im Zuge der Diskussion um qualitativ hochwertigen Journalismus als zu bezahlenden Inhalt. Ich kenne es auch aus dem Englischen, dem Amerikanischen. Dort wird es auch genutzt, um zu beschreiben, wie etwas nach Belastung wieder in seine Urspungsform zurückspringt. Eine gewisse Art von Elastizität.

Da ist es wieder. Das Schmunzeln. Weil mir eine Anekdote von einer Kanutour 1987 einfällt. Wir waren in Dänemark mit Kanus unterwegs. Klamotten und Lebensmittel in Säcken verstaut, auf denen wir teilweise auch saßen, während wir die Paddel betätigten. Im Gepäck war auch dänisches Weißbrot. Als wir zur Mahlzeit das Brot auspackten, war es platt wie eine Briefmarke. Und genau eine Minute nach seiner „Befreiung“ hatte es seine Ursprungsform wieder. Hatte sich wieder „aufgeblasen“. Zu unserer Erheiterung. Von da an haben wir immer wieder über die „Anpassunsgfähigkeit“ dieses Mehlproduktes gelacht und genauso gestaunt. Geradezu eine Qualität. 🙂 Für Kanufahrer mit Platzproblem. 🙂

Im übertragenen Sinne könnte es bedeuten, dass Menschen sich vorübergehend durch Druck verformen lassen könnten, und sich – kaum ist der Druck verschwunden – wieder frei „aufblasen“. Eine geradezu elastische Seele haben könnten sie. An dem Punkt erinnere ich mich mit an Anfragen, die auf eine Beratung zwecks Stärkung der menschlichen Resilienz hinzielten. Hätten Menschen sich selbst oder Arbeitgeber:innen ihre Mitarbeiter:innen gerne resilienter? Damit sie unter dem Druck – dem vielschichtigen – nicht kaputt gehen? Mehr leisten können? Ängste kompensieren? Leben retten? Überleben sichern?

Ich habe viel gehört, gelesen, erlebt und gesehen im Laufe der über dreißig Jahre, die ich als Therapeutin, Erwachsenenbildnerin, Pädagogin, Counselor und vor allem als Journalistin unterwegs bin. Auch als Mutter und berufstätige Frau – als Freischaffende und als Festangestellte.

Wenn Frauen in der Rückschau über die Wirkungen ihres Burn Outs schreiben, betiteln sie es nicht selten als eine Art „sprituelles Erwachen“. Und aus ihrem Munde, aus ihrer Feder klingt das echt, wahrhaftig. UND: es ist alles andere als eine ausschließlich intellektuelle Arbeit. Eher klingt das Beschriebene nach einem emotional arbeitsreichen Prozess der Selbstzuwendung. Nach einer Art Entdeckung der eigenen Kräfte und der eigenen (auch nützlichen) Abwehr. Einer Forschungsreise durch oder entlang der Wurzeln des Lebens. Nicht nur entlang der eigenen.

Kleiner Exkurs: Mich wundert manchmal, dass Stammbaumdarstellungen ÜBER der Erde beginnen.

Spaziergang am Dieksee. Noch bevor es dunkel wurde, lief ich entlang der Bahnschienen zum Wildgehege. Wie jedesmal sah ich das Schild:

Diesmal habe ich es fotografiert. Und bin den Weg zwischen den nun spätherbstlich entlaubten Bäumen sehr bewusst gegangen. Und zum ersten Mal – und ich gehe diesen Weg seit fast fünfzehn Jahren regelmäßig – habe ich wahrgenommen, WIE dort die Bäume am Hang stehen. Und weil sie genau so da am Hang stehen, präsentiert sich mir ihr Wurzelwerk. Nicht alles – aber doch beachtliche Mengen.

Kombiniert hatte ich es bislang nicht. Doch einige Impulse der letzten Tage und Wochen haben meinen Blick mal wieder auf systemische Aufstellungen gerichtet. Dieses mächtige Instrument, um z.B. Familienaufträgen auf die Spur zu kommen. Und so brachte ich das erste Mal diesen speziellen Fußweg „Zur Quelle der gebrochenen Herzen“ und die sichtbaren Wurzeln dieser ehrwürdigen Bäume zusammen. Für mich fühlte es sich plötzlich wie ein Sinnbild an. Ein sicheres Zeichen dafür, dass es möglich ist, sich die eigene Geschichte anzuschauen, ohne an Stabilität zu verlieren. Sich sich seiner selbst, seines Selbsts, zu versichern. Daraus zu schöpfen. Zu entdecken, welche Wetter, welche Krisen, welche Einflüsse schon überstanden sind. Bewältigt oder genutzt. Welche Narben hinterlassen, welche für neue Triebe gesorgt haben. Was sich rund um die Wurzel herum ansiedelt, sie nutzt. Was zwischen ihnen lebt. Und vergeht.

Und wenn dann der Weg geschafft ist bis zur Quelle – dann ist es wie eine Belohnung. Es geht die Mär, dass, wer aus ihr trinkt, geschützt sei vor Kummer und Einsamkeit.

Wenn ich sinniere über „Resilienz“, dann kommt mir wieder der Begriff und das Phänomen „Prozess“. Was, wenn das , was ich zu „Resilienz“ denke, eher der morphologischen Sichtweise entspricht. Wenn es sich immer weiter entwickelt. Nie in den alten Zustand zurückgeht. Sich zwar Erlerntem bedient, aber darauf bauend nach vorne strebt oder nach oben oder in die Breite und die Tiefe? Vorhandenes trainiert via neuer Zutaten, Bedingungen, neuer „Infekte“? Wenn es nicht Elastizität ist, die angestrebt wird, oder Widerstandsfähigkeit. Sondern Resilienz so etwas ist wie das Immunsystem unserer persönlichen Existenz? Der sozialen, physischen, spirituellen und psychischen Existenz?

Und vom Immunsystem – und darüber wird in diesen Zeit viel philosophiert – wissen wir, dass es sich immer wieder neu aufstellen muss. Die Frage bleibt: WIE kommt es dazu, sich neu aufzustellen? Wann „läuft das Fass über“? Wann ist der Schmerz so groß, dass wir uns kümmern?

Und wann sollten wir beginnen?

Ein Erfahrungswert: Trennung, Tod, Krankheit, Pleiten, Scheitern, Verluste vieler Art führen einen vor den Spiegel. Inzwischen weiß ich: Auch die Folgen von Finanzkrisen und Pandemien konfrontieren uns mit uns selbst. Oft in Begegnungen mit anderen Menschen. Dort erkennen wir unsere Wurzeln, unsere traumatischen Erfahrungen. Sogar die traumatischen Erfahrungen unserer Vorfahren. Das ist wirklich nicht nur Spaß. Das weiß ich wohl.

Für mich aber hat es sich gelohnt. Auch früh damit anzufangen.

Eines weiß ich ganz sicher: Es ist NIE zu spät dafür.

Ich bin sehr neugierig auf Eure Meinung dazu! Fühlt Euch eingeladen, dazu was zu schreiben.

Sonntagssturm

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„Wenn man von einem Sturm des Gefühls spricht, meint man einen, wo die Rinde des Menschen ächzt und die Äste des Menschen fliegen, als sollten sie abbrechen.“
―Robert Musil –

Radikal Führen! Neuer Spreng(er)stoff!

Santa Fe 2009 im Sommer. Reinhard Sprenger und ich trafen uns nach Ankunft in einer, mir von dort ansässigen Freunden, empfohlenen Bikerkneipe zum Lunch. Es war heiß. In T – Shirt und Jeans gekleidet von der Anreise noch gezeichnet. Es stellte sich schnell heraus, dass er den Freund kannte, den ich gerade besuchte. Hat der doch seine Solaranlage geprüft. Die Welt ist klein. Schnell fragte ich ihn, ob er etwas Neues zu  „seinen Themen: Management, Verantwortung und Führung“ zu sagen habe. Er schüttelte den Kopf: „Was soll sich an einer Grundhaltung ändern? Es ist schön, dass sich die Bücher gut verkaufen – aber viele Firmen haben sich damit „begnügt“, mich als Keynotespeaker zu buchen, viel Geld bezahlt, und dann die Mitarbeiter sich selbst überlassen.“ Der vierfache Vater wollte auch nichts zum Thema Bildung sagen. Er winkte respektvoll ab. Das sei nicht seine Sache. Ob es jemals noch etwas von ihm gebe in Sachen „Management“, das wisse er nicht- noch nicht.

Auf seinem blauen -Shirt strahlte eine Gitarre. Grund genug, ihn von seiner Leidenschaft Musik sprechen zu lassen.  Er brauche Santa Fe mitunter, wenn er mal einen Text fertigstellen, einen Gedanken zu Ende denken und Musik komponieren wolle. Über seine erste CD Eigensinn : „Die war noch mit erhobenem Zeigefinger entstanden“. Und seine zweite? “ Wie das Leben so spielt“ sei echter, lebendiger und emotionaler,  persönlicher, eben mehr er selbst.

Seine Bücher hatte ich alle gelesen. Ich stöbere immer mal wieder darin. Die Werke retteten mich vor allem über die Zeit  meiner letzten „Festanstellung“.   Fühlte ich mich doch bestätigt in meinem Erfahrungen. Und auch in meinem Erwartungen an die, die mich zu führen meinten, das aber wohl verwechselten mit: Kontrolle, Machtgehabe, Gängeglung, Manipulation, Lob und Tadel.

Hätte ich während dieser Zeit schon Sprengers Musik auf den Ohren gehabt,  wäre ich wohl schwungvoller durch den Alltag gekommen, hätte vielleicht meinen „Blues“ etwas rockiger untermalt gewusst. Seit 2009 begleiten mich seine Songs auf meinen Reisen als Freelancer.

Er erschien mir so nah bei sich selbst, dass ich nicht mehr daran dachte, diesen Eindruck an eine Zeitung zu verkaufen. Ich behielt das einfach in guter Erinnerung.  Nicht mal ein Foto hatte ich geschossen.

Was ich nach dem gemeinsamen Mittagsessen nicht gedacht hätte: Jetzt – drei Jahre später, gibt es ein neues Buch von Sprenger: „Radikal Führen“ wieder bei campus. „Der erfahrene Leser wird mich fragen: Steht in Ihrem Buch etwas Neues?“ Erlauben Sie mir die Gegenfrage: Wann wurde jemals etwas Neues geschrieben?… Allerdings ein Buch, das die Kernaufgaben von Führung archäologisch herauspräpariert, gab es noch nicht. Ein Buch, das umfassend unter Vermittlung  der systemischen Vorgaben und individueller Eigenschaften beschreibt, was an Führung wirklich zeitlos und essenziell ist, das gab es noch nicht.“  Wer nach den Ideen dieses Buches führe, der führe radikal,  so Sprenger, weil er die Wurzeln der Führung verstanden habe.

Ich genieße das Buch, die Haltungen, die Forderungen, die Angebote. Es lohnt sich auch, das Werk bei audible.de herunterzuladen und es sich anzuhören. Es ist gut aufbereitet, gesprochen und klingt vor allem so, als hätte ich es nicht das letzte Mal gehört.

Es braucht offensichtlich Menschen wie Reinhard Sprenger, der Menschen mag, ihnen vertraut UND der als „Managementguru“ gilt, bevor solche Positionen gehört werden.

Diese zeichnet etwas aus: Sie machen einen Unterschied. Sie sind „Beitragende“! Sie nehmen sich ernst, aber nicht so wichtig. Danke dafür!