Gefühle sind keine Krankheit

 

Gefühle sind keine Krankheit: Warum wir sie brauchen und wie sie uns zufrieden machen

Ich stolperte in das Buch, als ich selbst Hilfe brauchte, um durch eine existenzielle Bedrohung  zu kommen.  Ich hatte das Angebot der Hilfe, nutzte sie. Fühlte mich aber in den Sitzungen weder verstanden noch gesehen zwischen den klassischen, kassenfinanzierten Therapiewerkzeugen. Als ich aber den Titel dieses Buches sah, wusste ich: ich muss sie lesen, diese gefühlte Einladung an heilsame Gedanken.  Schon auf den ersten Seiten ging mir das  Herz auf. Durch das ganze Buch hindurch fühlte ich mich von dem Klinikleiter und Facharzt für Psychotherapie und Psychosomatik verstanden und bestätigt:  Mit der Kritik am Gesundheitssystem und den gängigen Ver- und Vorgehen in der Therapiepraxis. Es war, als spräche jemand zu mir: „Du hattest wahnsinniges Glück,  schon vor dreißig Jahren die richtigen Therapeut*innen zu treffen, die richtigen Ausbilder*innen.  Und Deine Narben sind spürbar – sicher auch für Deine Klienten.“ Das genau habe mich zu einer “guten Therapeutin“ gemacht, folgert Dogs. Profis, die selbst was durchgestanden haben, seien glaubwürdig. Das Buch animiert, mal anders  einzutauchen in die eigene Geschichte, die persönlichen Gründe für die Berufswahl, zu einer Reflexion des eigenen Schaffens. Immer wieder. So ehrlich wie möglich. Um das zu finden, was jede(n) alles außer gewöhnlich macht. Christian Peter Dogs legt vor – mit seinen eigenen Geschichten, seinem Humor, seinen Haltungen, seinen Gefühlen, seinen Ängsten, seinen Vorgehensweisen.  Ob er im wohl Sinn hatte, wie das Buch auf mich wirkte? Egal. Mich jedenfalls hat die Lektüre  beflügelt, mich mal wieder meiner selbst zu „versichern“, nicht nur, um mir selbst zu helfen. Auch, damit Ratsuchende sich bei mir weiterhin sicher, ermutigt und inspiriert fühlen (können).  Gönnt Euch, liebe Kolleg(inn)en und Blogfollower, dieses Buch. Für mich war es besser als eine Therapie.

Dr. med. Christian Peter Dogs  Nina Poelchau

Gefühle sind keine Krankheit: Warum wir sie brauchen und wie sie uns zufrieden machen

Dr. Christian Dogs suchte einst Therapeuten. „Wir suchen keine Frauenversteher, Warmduscher, Weicheier, sondern humorvolle und kompetente Therapeuten, die bereit sind, sich mit den Menschen und ihren Arten zu leben intensiv auseinandersetzen und dabei auch ihren Hintern aus dem Stuhl bewegen.“ Das Ärzteblatt hat diese Anzeige abgelehnt. ,Das, was er da formuliert habe, sei diskriminierend. Er hatte es aber durchaus ernst gemeint. Er weiß, was Menschen in Krisen tatsächlich brauchen: Echte Gegenüber, Sparringspartner, die sich nicht zu fein sind, selbst auch mal eine blutige Nase zu riskieren.

Hätte ich das gelesen, ich hätte mich beworben.   🙂

Die Narzissmusfalle – Reinhard Haller

SU_Haller_DieNarzissmusfalle_Text.indd Anleitung zur Menschen- und Selbsterkenntnis

 „Die Zeichen der Zeit stehen auf Narzissmus. Dieser wird gesellschaftsfähig. Alles spricht für eine Änderung der gesellschaftlichen Stimmung, für Etablierung von Egozentrik und Arroganz, Überindividualisierung und Entsolidarisierung.  Die Sünden der Vergangenheit werden zu Tugenden der Gegenwart, der frühere Makel zum neuen Ideal. Der Ichling beherrscht die Szene, Arroganz das Auftreten und Coolness die Emotionalität.“

Mit einem Leserhinweis warnt Reinhard Haller  uns vor – auch ob seines Gebrauchs der maskulinen Sprachform.  Diese „wird in diesem Buch nicht deshalb bevorzugt, weil Narzissmus wie die meisten schlechten Eigenschaften bei Männern (noch) häufiger vorkommt als bei Frauen. Es geschieht der besseren Lesbarkeit willen. Sie wissen ja: ´Der Gender und die Genderin, die machen uns das Lesen hin.` Unvermeidlicherweise werden Sie glauben, in den angeführten Beispielen jemanden aus ihrer Umgebung zu erkennen. Seien Sie versichert, dass alle personenbezogenen Daten so verändert wurden, dass eine Identifizierung unmöglich ist.“ (S.8)

Da mag der geneigte Experte vielleicht  noch denken: Viel  Neues wird es wohl nicht geben. Die Quellen klingen wie eine Fachliteraturliste: abgearbeitet als Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss der analytischen oder tiefenpsychologischen Therapieausbildung.  „Nirgends wird der Narzissmus inniger gepflegt als unter denen, die vorgeben ihn heilen zu können.“ Spätestens bei diesem Satz auf Seite 44 ist hoffentlich auch der Fachmann geläutert. Die Kenntnis um die Phänomenologie  des Narzissmus ist halt das Eine. Die Ursachen: das Andere. Diese  schildert er mit Einblicken in Eltern -Kind –Beziehungen, anhand  der Wirkungen leistungsorientierter Erziehung, Er beschreibt die gängigen Hypothesen und Versuche, sie zu heilen. Und fasst zusammen: „Eine komplexe Störung hat komplexe Wurzeln. Der Narzissmus bleibt auch in seinen Ursachen, was er ist: einzigartig.“

Einzigartig auch die Weise, wie Reinhard Haller schreibt. Der Chefarzt einer psychiatrisch- psychotherapeutischen Klinik mit dem Schwerpunkt Abhängigkeitserkrankungen  wird  als renommierter Gerichtspsychiater immer wieder mit der Begutachtung in großen  Kriminalfällen betraut. Seine Analysen psychischer Störungen und spektakulärer Verbrechen sind in den internationalen Medien gefragt.

Auf jeder Seite des Buches findet sich mindestens eine Eintrittskarte ins Kopfkino.  Auf jeder dritten hängt  – im übertragenen Sinne versteht sich – ein Spiegel.  Es konfrontiert die Leser bestenfalls mit seinen eigenen Bewertungen  – besonders mit denen für ihr Umfeld.  Phänomene wie Entwertung, Egozentrizität, Empfindlichkeit, Empathiemangel als Indikatoren für Narzissmus – jeder kennt sie, jeder nutzt sie.  Sein Buch ist ein respektvoller und schonungsloser Spiegel.

Er räumt auf mit den gewöhnlichen, nur negativen Konnotationen des Narzissmus als Egoismus, Selbstverliebtheit, Arroganz und Ich-Sucht, den gesunden und den krankhaften den Formen des Narzissmus.

Leicht schreibt er über den schwerwiegenden Stoff, verdaulich formuliert er, wie wichtig diese Selbstliebe ist,  um Selbstwert zu entwickeln. Er überlässt die Leser nicht sich selbst bei ihrer auflebenden Selbst – und Fremdbewertung. Er widmet den verschiedenen Gesichtern des Narzissmus eine Galerie: 13 Bilder mit ebenso vielen Empfehlungen für den ggf. notwendigen Umgang mit deren Wirkung. Jeder reflektierte Mensch wird feststellen, dass er oder sie sich in allen Beschreibungen ein bisschen wieder findet.

Ein erholsames Buch, ein herausforderndes Werk, ein wertschätzendes Wieder- Holen der klassischen Theorien. Ein bewegender Spiegel des Umgangs der Menschen unter – und miteinander. Auf-  und erfrischend. Empfehlenswert! Sehr!

208 Seiten, ECOwin Verlag , Salzburg 2013, Gebundene Ausgabe  21, 90 €,   ISBN 978-3-7110 – 0037 – 8

www.ecowin.at

refelctions  Diese Rezension wird in der nächsten Ausgabe des  Counseling Journal des BVPPT erscheinen.  BVPPT     

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Wie kommen die Werte in die Welt?

Alle Welt fragt (sich) das in letzter Zeit! Wer auch immer sich zu einer Antwort aufschwingt, stellt schnell fest, dass es sich um Meinungen handelt. Werte – werden sie nicht meist selbstverständlich und unreflektiert vorausgesetzt? Psychologen, Marketingexperten, Reiseveranstalter, Mediziner, Wirtschaftfachkräfte, Politiker, Kirchenvertreter, Stifter sinnieren gemeinsam oder jeder für sich.

gefunden in Malente 2012!!!
Wessen Wert ist das??     Gefunden in Malente 2012!!!

Jeder versucht eine für sich nützliche Antwort zu finden, eine die Wählerstimmen bringt,  das Geld lockert, Sympathien erzeugt, Buchungszahlen steigert. Sehr viele wissen plötzlich und verkünden laut, was richtig oder falsch, gut oder schlecht ist. Je überzeugter die Akteure scheinen, je lauter sie brüllen, Panik machen oder ihre Überzeugungen dramatisch genug vortragen- um so verführter fühlen sich Zweifler, den Lautesten zu glauben, deren Werte einfach anzunehmen. Immerhin hat jemand ihnen das Denken abgenommen.

Das klingt kritisch- ich weiß. Wer mich kennt, weiß:  Ich denke viel – vor und nach- und gern mit anderen gemeinsam.

BVPPT Berufsverband für Beratung, Pädagogik & Psychotherapie e.V.   Professional Association For Counseling, Education & Psychotherapy e.V.

1992 habe ich mich (auch deshalb) dem Berufsverband „BVPPT – Die Vertretung der Counselor in Deutschland“ angeschlossen. Dort finden Profis zusammen, die Haltung und Werte im Umgang und in der Arbeit mit Menschen teilen. Diese „Werte“ haben die Mitglieder des BVPPT  gemeinsam festgelegt. Humanistisches Menschenbild, eine tiefenpsychologische Betrachtung der Biographie des Menschen. Als Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist der Nachweis einer 4,5 jährigen tiefenpsychologischen Ausbildung und vor allem eine ebenso lange Selbstreflexion und tiefe Kenntnis um die eigene „neurotische“ Struktur. Das hört sich hochtrabend an – ist aber auch für mich Voraussetzung für die ermutigende Arbeit mit Menschen. Die „ordentlichen“ Mitglieder haben sich verpflichtet, ihre Arbeit zu reflektieren, Menschen zu begleiten und zu ermutigen statt sie zu manipulieren. Gemeinsam  ergründen sie mit den Coachees deren Potenziale,  deren Talente. Sie respektieren Entscheidungen. Auf Deutsch: Counselor stellen sich als liebevoller und kritischer Spiegel zur Verfügung, stellen Fragen, die der Ratsuchende selbst  nicht hat oder sich selbst nicht stellen kann oder mag. Mit dem Counseling lernen Ratsuchende einen anderen, auch versöhnlichen Blick auf die Welt – wenn sie wollen.

Was ich mich immer wieder frage: Müssen Werte immer was Gutes sein? Könnten die, die uns unbewusst treiben, auch einfach solche sein, mit denen wir uns nicht anfreunden wollen, die wir nicht mögen, oder sie gar verurteilen? Kennen wir unsere eigenen wirklich? Und sind sie, was meine Arbeit betrifft, nicht genau so wichtig für die journalistische wie für die beratende Tätigkeit?

„Wie kommen die Werte in die Welt?“

Am 4. November treffen sich  die Berater zur Jubiläumstagung des BVPPT  und reflektieren gemeinsam die Frage. Coaches, Therapeuten und Menschen, die für ihre beraterische oder psychologische Arbeit ein Dach haben oder finden wollen, sind ebenso herzlich eingeladen.

 Wie kommen die Werte in die Welt?“  Counseling – Co – Creationen

 Prof. Jörg Fengler führt durch die Tagung mit vielen spannenden Beiträgen und Workshops.

Den Tagungflyer mit dem ausführlichen Programm gibt es hier.

 Immerhin bin ich jetzt schon 20 Jahre dabei. Eine lange Zeit –  finde ich. Mal mehr, mal weniger. Alles hat seine Zeit.

Wer auch immer sich inspiriert fühlt, schaue mal in das Programm, melde sich gar an und freue sich auf drei spannende Tage in Schleiden.

Werte: Mit scheint  es das Wichtigste, die eigenen zu kennen und damit die des eigenen (kleinen oder größeren) Universums.  Es freue sich also jeder über Spiegel in seinem Leben! 🙂