„Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.“ J.W. Goethe
„It needs a village to raise a child, it needs a village to abuse one.“
Während des Films habe ich mein Notizbuch gezückt und geschrieben. DAS wollte ich mir merken.
Spotlight– ein wirklich spannender Film über investigativen Journalismus, über Missbrauch und Seilschaften in Kirche, Stadt, Staat und Politik. Über Korruption, Angst, Verdrängung, Geduld, Ungehalten sein. Opfer wurden gezeigt, aber auf Filmszenen zu den Missbrauchssituationen verzichtet. Keinerlei Sensationslust, dafür viel Anstrengung, Dialog, Durchhaltevermögen, Zusammenhalt, Recherchen, gemeinsame Arbeit.
Der Film geht mir nach. Ich hätte gern applaudiert.
Unbedingt anschauen! Highly recommended!
Im Februar 2016 wird er in die deutschen Kinos kommen. Soll er zumindest – laut ImdB. We`ll see.
Gestern bedankte eine Freundin sich für die Postkarte, die sie von mir hier aus den Staaten bekommen hat. „Nicht mal abgestempelt!“ schreibt sie, „Haben es wohl nicht übers Herz gebracht, Elvis und Jimi Hendrix einen auf die Nase zu geben.“ 🙂
Danke für das Danke. 🙂
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Es gibt hier die Möglichkeit, Briefmarken auf Vorrat zu kaufen – und sie über die Teuerungen hinweg zu nutzen. Wenn „Forevers“ darauf steht. 🙂 Das sind die neuesten Forevers. Da auch hier das versenden von Schneckenpost nicht billiger wird, habe ich mal einen größeren Vorrat angelegt. 🙂
„My business is to paint what I see, not what I know is there.“ J.M.William Turner
Eiskalt ist es hier inzwischen. Schnee ist angekündigt! Gestern haben wir noch bei Sonne den Weg gen Williamstown angetreten. Das zweitgrößte Musuem in den Staaten steht dot. Hatte auch geöffnet. Ein lichtstarker Bau, tolle Bilder, außerordentliche Ruhe, und eine Überraschung für mich. Elisabeth Lenk, einst Studentin von Th. W. Adorno, war Gast in einem öffentlichen Panel. Ich war ein wenig aufgeregt, gebe ich zu. Helden der alten Zeiten. Die Frage, wieso sie sich hier aufhält, war schnell geklärt. Frisch erschienen: „The Challenge of the Surrealism“ Der Titel eines Buches, dass es so für den deutschen Markt nicht gibt. Nicht, dass ich viel Neues erfahren hätte. ABER: Es war ein wunderbarer Link in meine Geschichte. 🙂 Bin dankbar. #lenk #adorno #turner #surrealism #theclark
„Denn wenn ihr nicht NEIN sagt, wenn IHR nicht nein sagt, Mütter, dann:
In den lärmenden dampfdunstigen Hafenstädten werden die großen Schiffe stöhnend verstummen und wie titanische Mammutkadaver wasserleichig träge gegen die toten vereinsamten Kaimauern schwanken, algen-, tang- und muschelüberwest den früher so schimmernden dröhnenden Leib, friedhöflich fischfaulig duftend, mürbe, siech, gestorben –
die Straßenbahnen werden wie sinnlose glanzlose glasäugige Käfige blöde verbeult und abgeblättert neben den verwirrten Stahlskeletten der Drähte und Gleise liegen, hinter morschen dachdurchlöcherten Schuppen, in verlorenen kraterzerrissenen Straßen –
eine schlammgraue dickbreiige bleierne Stille wird sich heranwälzen, gefräßig, wachsend, wird anwachsen in den Schulen und Universitäten und Schauspielhäusern, auf Sport- und Kinderspielplätzen, grausig und gierig, unaufhaltsam – der sonnige saftige Wein wird an den verfallenen Hängen verfaulen, der Reis wird in der verdorrten Erde vertrocknen, die Kartoffel wird auf den brachliegenden Äckern erfrieren und die Kühe werden ihre totsteifen Beine wie umgekippte Melkschemel in den Himmel strecken –
in den Instituten werden die genialen Erfindungen der großen Ärzte sauer werden, verrotten, pilzig verschimmeln –
in den Küchen, Kammern und Kellern, in den Kühlhäusern und Speichern werden die letzten Säcke Mehl, die letzten Gläser Erdbeeren, Kürbis und Kirschsaft verkommen – das Brot unter den umgestürzten Tischen und auf zersplitterten Tellern wird grün werden und die ausgelaufene Butter wird stinken wie Schmierseife, das Korn auf den Feldern wird neben verrosteten Pflügen hingesunken sein wie ein erschlagenes Heer und die qualmenden Ziegelschornsteine, die Essen und die Schlote der stampfenden Fabriken werden, vom ewigen Gras zugedeckt, zerbröckeln — zerbröckeln — zerbröckeln —
dann wird der letzte Mensch, mit zerfetzten Gedärmen und verpesteter Lunge, antwortlos und einsam unter der giftig glühenden Sonne und unter wankenden Gestirnen umherirren, einsam zwischen den unübersehbaren Massengräbern und den kalten Götzen der gigantischen betonklotzigen verödeten Städte, der letzte Mensch, dürr, wahnsinnig, lästernd, klagend – und seine furchtbare Klage: WARUM? wird ungehört in der Steppe verrinnen, durch die geborstenen Ruinen wehen, versickern im Schutt der Kirchen, gegen Hochbunker klatschen, in Blutlachen fallen, ungehört, antwortlos, letzter Tierschrei des letzten Tieres Mensch – all dieses wird eintreffen, morgen, morgen vielleicht, vielleicht heute Nacht schon, vielleicht heute Nacht, wenn – wenn – wenn ihr nicht NEIN sagt.“
zitiert aus: Wolfgang Borchert, Das Gesamtwerk, Rowohlt 1986, Seite 318 ff
„Beobachter und Beobachtetes sind vielmehr miteinander verschmelzende und sich gegenseitig durchdringende Aspekte einer einzigen ganzen Realität, die unteilbar und unzerlegbar sind.“ David Bohm
Es ist fünf Jahre her, dass ich Wendy Ewald besucht habe. Und schon „damals“ habe ich empfohlen, Wendy Ewald nach Deutschland zu holen. Vor drei Jahren habe ich einem Verlag in Deutschland ihr Buch „I wonna take me a picture“ zum Übersetzen eingeschickt. Hätten Sie es publiziert, hätten wir heute eine wunderbare Anleitung um Sprache via Fotografie zu erlernen. So ist das Leben.
Kamera, Stift und Zutrauen – Wie Kinder ihre ganz eigene Welt dokumentieren
Es regnete aus allen Eimern. Das GPS wusste nicht, dass die Straße nach Red Hook, NY gesperrt war. Und so tourte ich auf eigene Faust einen Umweg. Zehn Minuten Verspätung brachte mir die Fahrt durch die Berge östlich des Hudsons gen Süden ein. An den Straßenrändern standen so viele „For Sale“ Schilder, wie ich sie in der Menge nur in der Zeit während meines ersten Amerika-Urlaubs nach dem Credit Crunch gesehen hatte. Sogar das 21. Jahrhundert war zum Verkauf. Die meisten Restaurants an der Route 9 waren vernagelt, andere angbeoten zur Vermietung. Wenig optimistisch anmutend, verregnet aber sattgrün – und mitten drin: Ich in dem alten Volvo, den ich mir geliehen habe, um Wendy Ewald in ihren privaten Gefilden mitten im Wald aufzusuchen.
Sie war zu müde am letzten Sonntag, Jetlag plagte…
Mir fällt zu all der Gewalt weltweit nur noch Herr Bonhoeffer ein.
Wie viele mögen sich wohl daran erinnern, wie es „von unten“ in Zeiten des Krieges und der Zeit danach ausgesehen hat?
Ich vermute, dass jede und jeder seinen oder ihren persönlichen Kriegsschauplatz hat – und dass der immer dann aufpoppt, wenn sich gerade in gefühlt naher Umgebung Gewalt ereignet. Das ist menschlich.
Der Blick von unten
Es bleibt ein Erlebnis von unvergleichlichem Wert, daß
wir die großen Ereignisse der Weltgeschichte einmal von
unten, aus der Perspektive der Ausgeschalteten, Beargwöhnten,
Schlechtbehandelten, Machtlosen, Unterdrückten und Verhöhnten,
kurz der Leidenden, sehen gelernt haben. Wenn nur
in dieser Zeit nicht Bitterkeit oder Neid das Herz zerfressen hat,
daß wir Großes und Kleines, Glück und Unglück, Stärke und
Schwäche mit neuen Augen ansehen, daß unser Blick für
Größe, Menschlichkeit, Recht und Barmherzigkeit klarer,
freier, unbestechlicher geworden ist, ja, daß das persönliche
Leiden ein tauglicherer Schlüssel, ein fruchtbareres Prinzip zur
betrachtenden und tätigen Erschließung der Welt ist als persönliches
Glück. Es kommt nur darauf an, daß diese Perspektive
von unten nicht zur Parteinahme für die ewig Unzufriedenen
wird, sondern daß wir aus einer höheren Zufriedenheit, die
eigentlich jenseits von unten und oben begründet ist, dem
Leben in allen seinen Dimensionen gerecht werden, und es so
bejahen.
Dietrich Bonhoeffer
Quelle:
Widerstand und Ergebung, DBW Band 8, Seite 38 f
Nachdem ich heute schon den ganzen Tag „brand eins“ höre und lese, muss ich schmunzeln. Am meisten beeindruckt hat mich tatsächlich bisher der Leitartikel von Wolf Lotter über Hoffnung, Chancen, Wiederholungen und Geduld.
Die Schlüsse, die Wolf Lotter aus den „Wiederholungen“ zieht, die Art, diese mit dem gesellschaftlichen Leben in Verbindung zu bringen, berührt mich.
Zu Wiederholungen anderer Art hat Mark Twain eine aufschlussreiche Geschichte geschrieben:
Mark Twain
Ein Hoch auf alle Chancen, die sich ergeben, wenn sich Unerledigtes zeigt. (Vielleicht ja auch manchmal in Form von 10 Cent Stücken) 🙂