Gestern fragte mich puenktchenundwortgestoeber.wordpress.com, wie ich dieses Foto gemacht habe.
Ich nehme das mal zum Anlass, einen Aufsatz zu posten, den ich mit freundlicher Genehmigung des Verfassers Mark Citret und Hilfe von Dylan Vaughn übersetzt habe.
Denn Mark hat sich m.E. zu den Bedingungen für ein gelungenes Foto konstruktiv und ermutigend geäußert. Vor einigen Jahren habe ich an einem seiner Workshops teilgenommen. Drei Tage, Schwarz-Weiß, digital, versuchend, inspirierte er mich, mal anders über die Bedingungen für meine Aufnahmen und das Ergebnis zu sinnieren, wieder gütig mit mir und meinen Fehlversuchen zu sein. Verzeihlich, humorvoll, zum Durchhalten animierend, wertschätzend und… ach lest selbst.
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„Where to Stand, Where to put the Edges“
„Es gibt nichts Schlimmeres als den scharfen Ausdruck eines verwirrten Konzeptes!” Ansel Adams
Wenn Fotografen ins Plaudern kommen, egal ob in Gesprächen, Büchern, Workshops oder Vorträgen, wird oder kann das Thema “Licht” zu geradezu mystischer Wichtigkeit avancieren. Das ist verständlich. Licht ist unser Rohmaterial. Wenn Rembrandt oder Vermeer uns in ihren Bildern ein sinnliches und einhüllendes „Gefühl“ für Licht präsentieren, ist es ein Effekt: kreiert vor ihrem geistigen Auge und gestaltet auf der Leinwand. Als Fotografen manipulieren wir mitunter das Licht, oder richten es direkt auf unser Motiv, aber wir kreieren es nicht im Bild selbst. Wenn das Licht nicht vor der Kamera ist, dann wird es auch nicht auf dem Foto sein. Das ist die elementare Kraft unseres Mediums. Wir vertrauen auf unsere Sensibilität für das Licht und auf unsere Fähigkeit, seine Qualitäten zu nutzen.
Es ist aber eine gefährliche Falle, die Qualität des Lichts als das einzige oder gar als das vorrangige Ziel zu definieren. Während des Fotografierens das „schöne“, das „enthüllende“, oder einfach nur das „dienlichste“ Licht einzufangen, ist nicht mehr als nur die erste Gelegenheit, nicht zu scheitern. Und tatsächlich, die meisten unserer Fotografien misslingen und das aus den verschiedensten Gründen. George Bernhard Shaw sagte mal: “Fotografen sind wie Kabeljau. Sie produzieren Millionen von Eiern in der Hoffnung, dass eines zu Nachwuchs werde.“
Die Qualität des Lichts in einem Bild ist solange unbedeutend, bis das Licht hilft etwas auszudrücken. Dieses “Etwas” könnte als “emotionaler” oder “konzeptioneller” Content charakterisiert werden, schlicht gesagt, einfach als „Idee“. In anderen Worten: Hat dieses Foto irgendwas zu sagen?
Konzept und Ausführung
Ein Bild zu machen könnte beschrieben werden als die Folge zweier grundlegender Ereignisse. Eine initialisierende Inspiration für das Bild und die darauf folgende Herstellung dieses Bildes. Es kann auch gedacht werden als „Konzept“ und „Ausführung“. Die Inspiration oder die Idee für das Foto ist eine Reaktion zwischen einer Wahrnehmung des Fotografen, seiner Philosophie, seinen Gefühlen und Kenntnissen und der Wirkung des Lichts auf Objekte oder Gegenstände. Mitunter wird es auch „Des Fotografen Vision“ genannt. Die Anziehungskraft eines bestimmten Subjektes kann mit seinen „eigentlichen“, seinen „wörtlichen“ Qualitäten zu tun haben. Seine Signifikanz kann symbolisch oder als Katalysator wirken und eine viel tiefere emotionale Bedeutung schaffen, gerade wenn die eigentliche Form bestehen bleibt.
(Westons Paprikaschoten kommen mir in den Sinn.)*
(*Weston hat Paprikaschoten fotografiert und sie durch seine Perspektive aussehen lassen wie eine Skulptur von Hans Arp)
Die eigentliche Motivation, des Fotografen Vision (ich finde kein besseres Wort), ist ein Aspekt der Fotografie, der unmöglich zu unterrichten – und aus diesem Grund auch nicht bewusst zu lernen ist. Es ist ein intuitives Geschehen, und diese intuitive Bewusstheit wächst und entwickelt sich, wenn wir unser Leben bewusst erleben und aufmerksam für seine Lektionen sind.
Diese Art der „Bildung“ dauert das ganze Leben lang, und Du wirst nie fertig sein damit!
Aber: eine Menge Techniken für die Produktion und Darstellung eines Fotos können unterrichtet und gelernt werden. Mit diesen Techniken ausgerüstet kann es gelingen, zum „Handwerk“ ermächtigt, seine ureigenste Vision zum Ausdruck zu bringen, was auch immer die sein mag.
Technik” und „Handwerk”
Die Wörter Technik und Handwerk werden oft benutzt, als bedeuteten sie dasselbe und seien austauschbar. Ja, sie fallen beide unter die Kategorie „Ausführung“, und beide haben mit dem physikalischen Akt der Herstellung zu tun. Doch könnte es nützlich ein, sie zu definieren und sie als unterschiedliche Instanzen zu denken. „Technik“ bezieht sich auf das Beherrschen der physischen Schritte dieses Prozesses. Wir sagen, dass die eine gute Technik haben, die diese Schritte auf einem hohen Level von Kontrolle und Genauigkeit nutzen. Wir sagen auch, jemand habe eine schlechte Technik, wenn wir das Gegenteil beobachten.
Technik bezieht sich auf „operationalisierbare Fähigkeiten“, und kann diskutiert, objektiv gemessen, quantifiziert, unterrichtet und gelernt werden.
Das Handwerk erfordert von dem Fotografen ein klares Konzept und die nötigen technischen Fähigkeiten, um diese Idee auszudrücken und weiter zu entwickeln.
Man könnte sagen, dass Technik die Kenntnis ist, WIE man etwas tun, während „Handwerk“ , das einiges der Kenntnisse um das Wie braucht, bedeutet, auch zu wissen, WANN ich etwas mache, und am allerwichtigsten: WARUM.
Jede dieser Techniken der Darstellung, des Entwickelns, Druckens, etc. muss gemeistert werden. Auf welchem Level auch immer es gefordert ist. Es mag sein, dass einer ein beschränkter Techniker ist, aber trotzdem ein exzellenter Handwerker ist. Ganz einfach, weil seine Technik exakt für das ausreicht, was seine Idee erblühen zu lassen.
Andererseits kann jemand ein perfekter Techniker sein, aber wenig des Handwerks beherrschen, weil der Ausdruck seiner Fähigkeiten nichtssagend ist. Dies führt in eine verstörende Richtung: Es ist nicht ungewöhnlich, dass Fotografen mit wenigen oder gar keinen konzeptionellen Grundlagen (in anderen Worten: die nichts zu sagen haben) diese fehlende Substanz durch den Einsatz der Technik auf höchstem Niveau zu kompensieren versuchen. Die Fähigkeit, dieses technische Fachwissen zu präsentieren, sollte aber nicht mit „Handwerk“ verwechselt werden.
Es gibt aber noch einen anderen Aspekt im Prozess des Fotografierens, der in den meisten Diskussionen übersehen oder für selbstverständlich erachtet wird, aber der Kern des Fotografierens ist. Es ist die Berücksichtigung der folgenden Fragen: „Wo stehe ich?“ und “Wo setze ich den Rahmen?” Diese Fragen sind der Dreh- und Angelpunkt zwischen Inspiration und der Umsetzung des Planes für das Bild. Wo stehe ich und welchen Unterschied wird es machen? “Wo platziere ich meine Kamera?“ oder “Wo stelle ich mich hin?” Diese Fragen gehören direkt zu dem Prozess, eine lineare Beziehung zwischen den „beteiligten Subjekten“ herzustellen. Die exakte Position des Objektivs bestimmt dann die relative Position aller Objekte VOR der Kamera. Das Objektiv muss genau an dem Punkt des „Raumes“ platziert sein, von dem aus die Elemente perfekt arrangiert werden können.
Aus der Frage „Wo setze ich die Grenzen?“ ergeben sich zwei zusammenhängende Ueberlegungen: „Welche Informationen möchte ich auf jeden Fall IM Bild haben?“ und „Und welche will ich außen vor lassen?“.
Die erste ist relativ einfach zu beantworten: Du siehst, was Du erreichen willst und entscheidest Dich für ein Objektiv, das die entsprechenden optischen Fähigkeiten liefert.
Final zu entscheiden, was auf jeden Fall ausgeschlossen sein soll, ist schon schwieriger; die Grenzen festzulegen und damit das Subjekt zu isolieren, aus dem Chaos dessen, was es umgibt, aus allem Unwesentlichen und Ablenkenden. Um Alfred Stieglitz zu zitieren: „Alles im Foto sollte einen Grund haben, warum es darin ist.“
Jedem erfahrenen Fotografen ist bewusst, wie selten all diese Probleme gleichzeitig UND zufriedenstellend gelöst werden können. Das ist die Natur der Fotografie, eben ein extrahierender Prozess zu sein. Ein Prozess durch den ein Subjekt aus der existierenden Realität „extrahiert“ wird; im Gegensatz zum additiven Prozess des Malens, oder dem subtrahierenden Prozess des Bildhauens aus Holz, Stein oder Wachs.
Es ist ein stetiger Kompromiss: Der Spot kann genau richtig sein, aber die Brennweite der Linse gibt es nicht her; “der ideale“ (Spot) kann mitten auf einer belebten Straße liegen, die es aber nötig macht, einen sichereren Ort zu finden, der dann aber ggf. weniger ästhetisch wirkt; Ort und Linse mögen richtig sein, aber es kann ein aufdringliches Element geben, das sich nicht entfernen lässt oder dem nicht zu entkommen ist, das die Aufnahme ultimativ ruinieren würde. Das ist einer der gewichtigen Gründe, warum Shaw uns mit einem Kabeljau vergleicht.
Es gibt so viele Gründe, zu scheitern.
Die Fähigkeit der Fotografen, erfolgreich das “Wo stehe ich?” und “Wo setze ich die Grenzen?” zu klären, entscheidet letztlich darüber, ob sie es schaffen oder nicht.
Jeder kann erregt oder inspiriert sein durch etwas, das er sieht. Es ist das Wissen darum, die Quelle der Erregung ausfindig zu machen, also den ersten und entscheidenden Schritt zu gehen, der sowohl die Inspiration als auch die Präsentation beinhaltet. Um es dann „zu Papier zu bringen”, wo es (mit) anderen kommunizieren kann, nutzt man die angemessene “Technik”. So wird es eine Art Rückmeldung zu dem Konzept und ist bestenfalls deckungsgleich mit der ersten Idee.
Mark Citret
1988
Thank you again to Mark Citret & Dylan Vaughn .
In einem Crowdfundingprojekt hat er unlängst sein neuestes Buch produziert. Ich konnte es nicht lassen – und freue mich auf meine Exemplar. Ende Juni ist es wohl „available“.
http://www.all-about-photo.com/article.php?title=mark-citret-parallel-landscapes&id=170
Danke
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das fand ich auch 🙂
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WOW – sehr interessant – danke!!!
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