„Ich habe so viel von meinen Fehlern gelernt… Ich denke darüber nach, noch mehr zu machen.“ „I have learned so much from my mistakes… I am thinking about making more.“ Tattva Viveka
Habe in den letzten Tagen mehrfach diesen Spruch gelesen. Und mich jedesmal amüsiert – oder war gerührt. Oder dachte: Wie richtig! 🙂 So fühlte ich mich berufen, diese Überlegung hier einzureihen. 🙂
In unseren Landen macht sich eine Stimmung breit, eine Fehlervermeidungskultur, eine Angstkultur. Aus was für Gründen auch immer wird extrem reguliert, kontrolliert, damit die Kontrolleure sich und ihre Auftraggeber sichern können.
„Stille Unterordnung unter Willkür schwächt, stille Unterordnung unter Notwendigkeit stärkt.“ Jean Paul
Als ich am Montag meine Wahlunterlagen und auch die für meinen Sohn beim Amt abholen wollte, scherzte ich. Mal wieder.
„Muss ich nicht noch irgendwas unterschreiben, mit dem Sie sich selbst absichern?“ fragte ich, sicherlich etwas zynisch aber scherzhaft. Hatte ich doch in den letzten Wochen so oft Kontrollen über mich und meinen Sohn ergehen lassen müssen mit der Begründung: „Wir wollen doch nur prüfen, ob sie nicht ggf. zu den Missbrauchern von Sozialleistungen gehören!“
„Oh, wo Sie es gerade sagen!“ antwortet die wirklich nette Beamtin. „Ich komme in Teufels Küche, wenn Sie mir das nicht unterschreiben.“ und schiebt mir einen schwarzweißen Vordruck über den Tresen. „Wir wollen Wahlbetrug ausschließen. Und deshalb müssen Sie bestätigen, dass Sie für nicht mehr als fünf Menschen als Betreuerin die Wahlunterlagen verantworten.“ Wow, dachte ich nur.
Zehn Minuten später. Beim Antrag des Reisepasses habe ich dann meine Frage modifiziert: „Und? Haben Sie vielleicht auch noch ein Formular, dass ich Ihnen unterschreiben muss, damit Sie auch auf der sicheren Seite sind?“ „Ach ja!“ sagt sie. „Sie müssen mir bestätigen, dass Sie keine weitere Staatsangehörigkeit beantragt haben.“ Volltreffer. dachte ich nur.
Warum ich das erzähle?
Weil mir an diesem Gedenktag heute wieder klar wird, was eine Angstkultur bewirkt. Was Gefolgschaft und Verleugnung erzeugen, und welche Grausamkeiten gegen Menschen unternommen werden. Und dazu muss man offensichtlich nicht ausschließlich einer bestimmten Nationalität angehören. Es reicht, wenn ich Mensch bin – dem Angst und Bange wird, wenn der Konsum über die Humanität, wenn Gehorsam über Denken, wenn Sicherheit über Lebensqualität gestellt wird. Und – ich gebe zu – gerade an Tagen wie diesen bin ich froh, dass ich mit meinem Sohn in diesen Zeiten und in diesem Land hier lebe. Wie lange aber kann ich mir noch sicher sein, dass aus dem Verdacht des „Missbrauch der Zuwendungen wegen seiner Behinderung“ nicht irgendwann wieder die Konnotation „Ballastexistenz“ wird? Mir graut es vor diesen Gedanken.
Ich habe meine Fingerabdrücke hinterlassen – vom linken und vom rechten Zeigefinger. Für den neuen Pass. Ohne zu wissen, was sie je daraus schließen werden, außer dass ich ich bin.
Ich habe meine Kreuzchen für die Senatswahl gemacht. Ohne wirklich zu wissen, was deren eigentliche Agenda ist.
Herzlich willkommen in einer Republik, in einer Welt, deren Politiker mit ihrem Misstrauen Menschen zwingt, andere Menschen zu fürchten.
Um mein Gemüt zu beruhigen, mir mein Vertrauen in mich selbst und mein Umfeld zu erhalten, lausche ich mal Giora Feidman.